Rede von Steffi Lemke anlässlich der Barbarafeier der LMBV (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH)

05.12.2023
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Steffi Lemke hat bei der Barbarafeier der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH eine Rede gehalten. Die Barbarafeier ist eine traditionelle Feier der Bergleute zu Ehren ihrer Berufspatronin.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Sablotny und sehr geehrter Herr John,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Gatzer,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Fröhlich,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Fischer,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern, Landkreisen, und Kommunen, aus dem Bundestag und den Landtagen,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LMBV,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich bedanke mich für den freundlichen Empfang und grüße Sie alle mit einem herzlichen Glückauf! Herr John hat es gesagt, dass ich Dessauerin bin. Ich kenne das Mitteldeutsche Braunkohlerevier mit seinen Tagebauen, Kraftwerken und der ganzen Infrastruktur dazu. Ich weiß auch um die großen Belastungen in der Umbruchzeit Anfang der 1990er Jahre. Darauf komme ich später noch zu sprechen.

Im Sommer letzten Jahres war ich als Umweltministerin im Rahmen einer Pressereise an der Goitzsche und am Seelhausener See. Ich kann mich bei Herrn John und den Kolleginnen und Kollegen nur bedanken für den guten Austausch, den wir über die Sanierungsarbeiten vor Ort hatten.

Es ist wirklich kaum wiederzuerkennen, was aus der gewaltigen, wüsten Kraterlandschaft geworden ist, die ich als 20-Jährige Ende der 1980er Jahre hier gesehen habe. Seither ist so viel geschehen: Rund um den Großen Goitzschesee ist ein touristisches Erholungsgebiet entstanden. Das lässt sich übrigens hervorragend mit dem Fahrrad erkunden. Außerdem sind ausgedehnte Schutzgebiete für Tiere und Pflanzen entstanden. Der Große Goitzschesee steht damit exemplarisch für die Erfolge der Braunkohlesanierung. Ich will deshalb hier im großen Kreis wiederholen, was ich schon im kleineren Rahmen der Pressereise gesagte habe: Liebe Bergbausaniererinnen und Bergbausanierer der LMBV, Sie alle können sehr stolz auf das sein, was Sie hier geschaffen haben.

Ich nehme die heutige Barbarafeier zum Anlass, auch allen weiteren Beteiligten in den Landkreisen und Kommunen und bei den Unternehmen zu danken: Für die gute Zusammenarbeit und für das, was gemeinsam in den vergangenen drei Jahrzehnten erreicht und geschaffen worden ist.

Wir müssen immer wieder an die gewaltige Dimension der Hinterlassenschaften der DDR-Braunkohlewirtschaft Anfang der 1990er Jahre erinnern. Im Wissen um diese Dimension haben der Bund und die ostdeutschen "Braunkohleländer" Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen dieses ökologische Großprojekt gemeinsam angepackt. Sie haben sich verpflichtet, erhebliche Finanzmittel für die Aufgaben der Braunkohlesanierung bereitzustellen. Für den Zeitraum 1991 bis 2022 sind das insgesamt 11,8 Milliarden Euro gewesen – eine enorme Summe Geld, um der Herausforderung gerecht werden zu können.

Die Aufgaben sind nicht erledigt. Ich möchte aber trotzdem den Versuch machen, aus den vielen bisherigen Erfahrungen zu schöpfen für die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen:

Aus politischer und föderaler Perspektive ist vor allem die konstruktive Zusammenarbeit von Bund und Ländern in all den Jahren zu nennen. Die Zusammenarbeit war nahezu geräuschlos und von einem breiten Konsens getragen, einem Verständnis für die besondere Bedeutung der Braunkohlesanierung in den betroffenen Regionen. Ein ähnlich breiter Konsens hat lange Zeit beim 2002 und noch einmal 2011 beschlossenen Atomausstieg bestanden – und damit Planungssicherheit geschaffen. Ein solcher Konsens wäre auch für das weitere Gelingen der Energiewende, für den Ausbau der Erneuerbaren oder für eine echte Mobilitätswende von großem Nutzen.

Inzwischen gibt es das "Bund-Länder-Verwaltungsabkommen zur Braunkohlesanierung" in seiner siebenten Fassung. Es sichert die Finanzierung für die Sanierungsarbeiten im Zeitraum 2023 bis 2027 in einem Umfang von weiteren 1,44 Milliarden Euro. Die Unterzeichnung am 8. Dezember 2022 war ein Meilenstein, um die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen fortführen zu können. Sie war zugleich das Signal, dass der Bund betroffenen Bundesländer auch weiterhin bei der Bewältigung der Bergbaufolgen unterstützt.

Eine weitere wichtige Erfahrung, die hier gemacht worden ist und weiterhin gemacht wird, sind die ökologischen und ökonomischen Impulse, die von den Sanierungsmaßnahmen für die Regionen ausgehen. Hier im Mitteldeutschen und auch im Lausitzer Revier sind einerseits neue Seenlandschaften mit hohem Freizeit- und Naturwert und gleichzeitig moderne Standorte für Industrie und Gewerbe entstanden. Beides zusammen trägt zu einer positiven Strukturentwicklung und zur Steigerung der Lebensqualität bei. Auf den wiedernutzbargemachten Flächen entsteht durch vielfältige private und öffentliche Investitionen neue Wertschöpfung.

Eine der Nutzungen sind die Erneuerbaren Energien. In beiden Revieren gibt es inzwischen umfangreiche Flächen, auf denen Photovoltaikanlagen und Windenergieanlagen errichtet wurden oder noch errichtet werden. Weitere Flächen werden geprüft. Ich halte das für eine sehr sinnvolle und nachhaltige Nutzung. Wir wissen, dass sich Unternehmen vor allem in Regionen ansiedeln, wo nicht nur Infrastruktur vorhanden ist, sondern auch erneuerbare Energien verfügbar sind und wo ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine lebenswerte Umgebung vorfinden.

Ein dritter Aspekt ist die Wiederherstellung zerstörter oder gefährdeter Ökosysteme. Die UN-Generalversammlung hat die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen von 2021 bis 2030 ausgerufen. Immer stärker setzt sich weltweit das Bewusstsein durch, dass nur mit intakten Ökosystemen die Klimakrise, das Artenaussterben und andere ökologische Krisen aufgehalten werden können. Es geht um nicht weniger als unsere Lebensgrundlagen, unsere Existenzbedingungen.

Deutschland – oder besser gesagt Ostdeutschland – hat bereits Anfang der 1990er Jahre mit der Braunkohlesanierung einen solchen Umgestaltungs- und Wiederherstellungsprozess begonnen. Die LMBV und wir alle verfügen inzwischen über fast drei Jahrzehnte Erfahrungen, wie Ökosystemfunktionen mit gezielten Renaturierungsmaßnahmen nach Jahrzehnten der Zerstörung zurückgewonnen werden können. Diese Erfahrungen werden heute gebraucht, wo das Thema Wiederherstellung in einer ganz anderen Dimension diskutiert wird. Deshalb sind die Bergbaufolgelandschaften nicht nur für Wirtschaft und Erholung interessant, sondern auch naturschutzfachlich von großer Bedeutung.

Das Bundesumweltministerium hat von Anfang an darauf geachtet, dass der Schutz der Umwelt, der Erhalt und die Wiederherstellung von wertvollen und auch ausreichend großen Arealen in der Sanierungsstrategie berücksichtigt werden. Dank vieler Akteure – insbesondere verschiedener Naturschutzstiftungen – konnten Bergbaufolgelandschaften als wertvolle Naturräume gesichert und entwickelt werden. Das ist ein echter Schatz. Auf den Flächen der ehemaligen Tagebaue liegen heute 28 FFH–Gebiete, 17 EU-Vogelschutzgebiete und 32 Naturschutzgebiete. Diese wiederhergestellten Tagebauflächen sind ein Beitrag zum natürlichen Klimaschutz und für die Artenvielfalt in Deutschland, indem sie einmalige Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten bieten. Ich denke gerade auch an die Waldflächen. Die LMBV vergrößert die bewaldeten Flächen. Sie muss sich aber zunehmend auch um die Entwicklung der bestehenden Wälder kümmern, damit hier klimastabile Wälder wachsen, die auch dem Borkenkäfer trotzen.

Diese Erfolge bei der Renaturierung zeigen jedenfalls, dass sich Ihre Anstrengungen gelohnt haben und auszahlen. Künftige Generationen werden es Ihnen danken, da bin ich ganz sicher!

Wir müssen aber auch aus den Erfahrungen lernen, die nicht so gut gewesen sind. Sie alle wissen, wie hart der Umbruch 1990 für viele Beschäftigte in der Industrie und in den Kombinaten der DDR gewesen ist. Die Notwendigkeit des Übergangs in die Marktwirtschaft war allen klar. Dennoch hat die Art und Weise des Umbruchs – mit Treuhand, Abwicklung und Massenarbeitslosigkeit – tiefe Spuren und Verletzungen hinterlassen. Ich spüre die Bitterkeit darüber in vielen Gesprächen bis heute.

Wir brauchen an dieser Stelle auch nicht drum herumzureden: Diese bitteren Erfahrungen werden heute von Populisten benutzt und ausgenutzt. Sie behaupten, dass heute fast alles so bleiben könne wie es ist, sie machen den Menschen Angst vor Veränderungen und sie verunglimpfen unsere Demokratie – von der sie selbst ja eigentlich ganz gut leben.

Ich will hier nicht erörtern, wer damals was hätte anders machen können. Aber wir müssen für unsere Zeit und für die Zukunft daraus lernen. Wir stehen ja bereits mitten in einer erneuten Transformation, einem Umbruch. Die Klimakrise und andere Krisen zwingen uns, das fossile Zeitalter hinter uns zu lassen. Diese Transformation betrifft alle Lebens- und Produktionsbereiche. Mit den Erfahrungen aus den 90er Jahren können wir heute dafür sorgen, dass wir den Strukturwandel heute besser hinbekommen. Ohne diese Verletzungen, ohne diese Bitterkeit, dafür aber mit Beteiligung aller Betroffenen, mit Transparenz der Entscheidungen, mit konkreten Zukunftsperspektiven für die Menschen und Regionen.

Die Ansätze sind da: Die Maßnahmen reichen von der Ansiedlung von Spitzentechnologie, wie zum Beispiel IBM und TSMC, bis zu Investitionen in den Erhalt des kulturellen Erbes, wie des Bauhauses oder des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches. Der Bund ist mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen auf dem richtigen Weg. Als BMUV haben wir das Förderprogramm "KoMoNa" zur Umsetzung von ökologischen Nachhaltigkeitszielen in den Strukturwandelregionen aufgesetzt. Außerdem setzen wir eines der Versprechen aus der Wiedervereinigung um und schaffen Arbeitsplätze und Perspektiven mit der Ansiedlung von Bundeseinrichtungen. Die Beispiele zeigen, dass wir den Willen und die Kraft haben, es diesmal besser zu machen – für uns selbst, für die Betroffenen und auch für künftige Generationen.

Die Braunkohlesanierung kann jedenfalls ein Vorbild für den Strukturwandel sein. Ich denke insbesondere an den bereits genannten breiten Konsens bei den Akteuren im Bund, in den Ländern und vor Ort. Große Veränderungsprozesse können nur mit einem breiten, parteiübergreifenden Konsens über lange Jahre erfolgreich gestaltet werden. Es hat schließlich auch lange gedauert, bis die attraktiven Bergbaufolgelandschaften für die Menschen vor Ort sichtbar und teilweise nutz- und erlebbar geworden sind. Umso wichtiger ist es, die Anwohner aktiv und kontinuierlich zu informieren und einzubinden. Nur dann lässt sich Akzeptanz gewinnen, wenn beispielsweise Seen, Wälder oder Straßen aus geotechnischen Gründen und zum Teil langfristig gesperrt werden müssen. Hier hat die LMBV mit ihrem Akzeptenzmanagement bereits wichtige Weichen gestellt. Sie haben das bis heute geschafft und ich hoffe, dass sich alle ein Beispiel daran nehmen. Sei es beim Umstieg auf die erneuerbaren Energien, auf grünen Wasserstoff oder auf eine klimaneutrale Mobilität.

Lassen Sie mich abschließend über eine der großen Herausforderungen in den ehemaligen ostdeutschen Braunkohleregionen sprechen: Das Wasser. Manchmal hatten wir in den zurückliegenden Jahren zu viel Wasser, zum Beispiel bei den Jahrhundertwassern an der Elbe 2002 und 2013. Viel öfter aber gibt es zu wenig Wasser. Sachsen-Anhalt gilt nach den Zahlen des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung inzwischen als Dürre-Hotspot in Deutschland. Auch dem Gartenreich bei mir in Dessau droht das Wasser auszugehen.

Das vom Umweltbundesamt beauftragte Vorhaben "Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz" hat die drängendsten wasserwirtschaftlichen Fragestellungen im Kontext dieses Transformationsprozesses in den Fokus gerückt. Das ist eine neue gewaltige Herausforderung, obwohl Sie sich bei der Braunkohlesanierung schon immer mit dem Wasserhaushalt beschäftigen mussten. Es bedarf auch hier eng abgestimmter Planungen und einer koordinierten Umsetzung dieser länderübergreifenden Aufgabe. Die langfristigen Wasserbedarfe und das Dargebot müssen wieder in eine Balance gebracht und gehalten werden. Das wird mitentscheidend sein, ob die Transformation und der Strukturwandel in der Region erfolgreich sind. Ich freue mich, dass bei wichtigen Vorarbeiten hierfür Bund und Länder bereits konstruktiv zusammenarbeiten.

Sie sehen, es ist Vieles geschafft in der Braunkohlesanierung, aber es gibt auch weiter viel zu tun und neue Aufgaben kommen hinzu. Die Geschichte der Braunkohleförderung und ihre Folgen werden uns noch lange begleiten. Lassen Sie uns die Herausforderungen auch künftig gemeinsam angehen und den Transformationsprozess gestalten. Dann hat unsere Heimat hier im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier gute Perspektiven und eine gute Zukunft.

Vielen Dank noch einmal, dass Sie mich heute zur traditionsreichen Barbarafeier der LMBV eingeladen haben. Ich grüße Sie erneut mit einem herzlichen Glückauf!

05.12.2023 | Rede Naturschutz

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