Rede von Steffi Lemke beim Wirtschaftsgipfel Süddeutschen Zeitung

13.11.2023
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat auf dem SZ Wirtschaftsgipfel eine Rede zum Thema "Wie wird Deutschland zum Leitmarkt für 'Circular Economy'?" gehalten.

Wie wird Deutschland zum Leitmarkt für "Circular Economy"?

– Es gilt das gesprochene Wort –

Frau Wittwer,
Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung zum SZ Wirtschaftsgipfel. Ich freue mich, dass Sie das Thema Circular Economy auf die Agenda gesetzt haben. Als Umweltministerin ist mir dieses Thema außerordentlich wichtig.

Einen Punkt möchte ich vorwegnehmen. Bisher setzt das Verständnis von Kreislaufwirtschaft meist noch bei den Abfällen an – die in Deutschland schon sehr gut erfasst und verwertet werden.

Circular Economy meint aber weit mehr als das. Im Kern geht es darum, Abfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. In diesem umfassenden Sinn verstehen wir im Bundesumweltministerium die Kreislaufwirtschaft. Wir nehmen den gesamten Lebenszyklus von Stoffen und Produkten in den Blick. Dabei geht es um das Produktdesign, die Langlebigkeit von Produkten, deren Wiederverwendung und das Recycling.

So verstanden hat die Kreislaufwirtschaft ein riesiges Potenzial für den Umwelt- und Klimaschutz. Zugleich bietet das zirkuläre Wirtschaften aber auch enorme Vorteile für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise kann nur eine klimaneutrale Wirtschaft wirklich zukunftsfähig sein. Und gleichzeitig kann eine umfassende Kreislaufwirtschaft die Rohstoffversorgung sicherer machen.

Damit das gelingt und Deutschland zu einem Leitmarkt für die Circular Economy werden kann, sind die richtigen politischen Rahmenbedingungen entscheidend. Ich möchte heute darüber sprechen, wie wir diese Herausforderungen angehen können – zum Nutzen von Wirtschaft und Umwelt.

In Zeiten knapper Ressourcen, gestörter Lieferketten und hoher Rohstoffpreise muss es darum gehen, Rohstoffe so lange es geht im Kreislauf zu halten – statt sie nach kurzer Nutzungsdauer zu entsorgen.

Das ist für manche Unternehmen sogar eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens geworden. In den Jahren 2020 und 2021 gab es erhebliche Unterbrechungen der Lieferketten, sowohl bei Rohstoffen als auch bei Fertigprodukten. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher haben das deutlich zu spüren bekommen.

Eine echte Kreislaufwirtschaft kann dazu beitragen, Unternehmen vor Engpässen oder Verzögerungen zu schützen. Zirkuläres Wirtschaften macht uns unabhängiger von Rohstoffimporten und damit krisenfester.

Daneben kann die Kreislaufwirtschaft zum wesentlichen Treiber für den Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität werden.

Nach Berechnungen des International Resource Panel der UN sind weltweit mindestens die Hälfte aller Treibhausgasemissionen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen zurückzuführen – und sogar etwa 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes und der globalen Wasserprobleme.

In wesentlichen Branchen unserer Wirtschaft wird der überwiegende Teil der Emissionen nicht bei der Herstellung der Endprodukte verursacht, sondern schon vorher: bei der Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung von Vorprodukten. In der Chemieindustrie, im Maschinenbau und im Fahrzeugbau liegt der Anteil dieser Emissionen beispielsweise zwischen 60 und 80 Prozent.  

Die Konsequenz daraus kann nur sein, den Verbrauch an Primärrohstoffen zu verringern. Rohstoffe, die bereits im Kreislauf sind, müssen als Sekundärrohstoffe ein zweites, drittes und viertes Leben bekommen.

Unser Ziel ist daher, den Einsatz von Sekundärrohstoffen deutlich zu steigern. Aktuell liegt deren Anteil an allen eingesetzten Rohstoffen in Deutschland nur bei etwa 13 Prozent.

Zirkuläres Wirtschaften ist auch unverzichtbar für die Dekarbonisierung der Industrie. Durch die längere Nutzung von Produkten und Anlagen, durch mehr Ressourceneffizienz und kluges Recycling werden wir unsere Klimaziele schneller, sicherer und kostengünstiger erreichen.

Wie kann die Transformation hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft gelingen? Die gute Nachricht ist, dass bereits sehr viel passiert – in der Industrie, im Mittelstand, bei Start-Ups. Es gibt außerdem bereits eine Vielzahl an Verordnungen, Gesetzen und Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft. Was bisher jedoch fehlt, ist ein strategischer Rahmen, der konkrete Ziele setzt und notwendige Maßnahmen und Verantwortlichkeiten benennt und zusammenführt.

Diese Lücke möchte ich mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie, kurz NKWS, schließen. Die Strategie soll die verschiedenen rohstoffpolitischen Ziele und Maßnahmen bündeln unter einem zentralen Ziel: den Verbrauch von Primärrohstoffen zu senken und Stoffkreisläufe weitgehend zu schließen. Das ist effektiver Klima- und Ressourcenschutz und Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze.

Aktuell wird die Strategie von der Bundesregierung erarbeitet, unter der Federführung des Bundesumweltministeriums. Wir stehen dazu in einem intensiven Dialogprozess mit einer großen Bandbreite von Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Ein besonders wichtiger Aspekt sind faire Wettbewerbsbedingungen für Rezyklate auf dem Rohstoffmarkt – ein level playing field. Nur dann können recycelte Materialien verstärkt genutzt werden. Dazu wollen wir einen geeigneten rechtlichen Rahmen schaffen und ökonomische Anreize setzen.

Unternehmen werden ihre Strategien, Geschäftsmodelle und Kostenkalkulationen umstellen müssen. Gerade Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, stellt das vor Herausforderungen.

Deshalb will ich die Industrie und insbesondere den industriellen Mittelstand auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft unterstützen:

  • durch die Beseitigung unnötiger regulatorischer Hemmnisse
  • durch die Förderung von Innovationen
  • durch Beratungs- und Förderangebote
  • durch Weiterentwicklung von Normen und Standards
  • und durch einen klaren rechtlichen Rahmen, der Planungssicherheit für Investitionen in Kreislaufstrategien und langlebige Produkte schafft.

Als Bundesregierung wollen wir die Kreislaufwirtschaft zum Standortvorteil und Innovationsmotor machen.

Mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie wollen wir die Circular Economy fördern: Als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, als Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und für Arbeitsplätze.

Kreislaufwirtschaft ist ein Querschnittsthema – politisch, volkswirtschaftlich und in den Unternehmen. Es ist wichtig, dass wir dieses Vorhaben als Gesellschaft gemeinsam angehen.

Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen und wünsche Ihnen gute Diskussionen auf dieser Konferenz. Vielen Dank.

13.11.2023 | Rede Kreislaufwirtschaft | Berlin
https://www.bmuv.de/RE10813
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