Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung
Bereits auf den Konferenzen der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro und für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg wurde unterstrichen, dass das Beschaffungswesen ein wichtiges Instrument des produktbezogenen Umweltschutzes ist. Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat seit 2016 die nachhaltige Beschaffung auch Eingang in die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefunden (Sustainable Development Goal Nummer 12.7). Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie, als solide Grundlage für die nationale Umsetzung der Agenda 2030, hebt hervor, dass die öffentliche Verwaltung mit ihrem Beschaffungsvolumen im dreistelligen Milliardenbereich einen wichtigen Beitrag für die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft leisten kann. Auch auf EU-Ebene ist die umweltfreundlichere und zugleich innovativere Gestaltung des öffentlichen Beschaffungswesens unlängst verankert. Der im März 2020 veröffentlichte Kreislaufwirtschafts Aktionsplan der EU Kommission sieht vor, das verpflichtende Mindestkriterien für die nachhaltige Beschaffung eingeführt werden sollen. Die Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung betont ebenfalls die öffentliche Beschaffung als Nachfragehebel, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern und setzt klare Ziele für die grüne Beschaffung.
Die öffentliche Hand hat bei der Beschaffung eine Vorbildfunktion gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern. Gleichzeitig kann die öffentliche Beschaffung eine große Auswirkung auf den Markt für umweltfreundliche Produkte und damit für Innovation haben. Die Weiterentwicklung des "Maßnahmenprogramms Nachhaltigkeit der Bundesregierung 2021 – Nachhaltigkeit konkret in Verwaltungshandeln umsetzen" stellt verpflichtende Mindeststandards an die öffentliche Beschaffung der Bundesverwaltung. Im Rahmen des Monitorings und der Vergabestatistik des Statistischen Bundesamtes werden Beschaffungsstellen abgefragt, ob und inwieweit sie Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt haben.
Beschaffungsstellen stehen eine Reihe an Instrumenten zur Verfügung, Umweltaspekte bei der Vergabe zu berücksichtigen. Nur beispielhaft seien folgende Maßnahmen aufgezählt:
- Entscheiden, ob ein neues Produkt gekauft werden muss. Eventuell ist der Kauf eines gebrauchten oder die Miete/das Leasing eine umweltfreundlichere Variante.
- Berücksichtigung der Produkteigenschaften einer Leistung: Wiederverwendungsmöglichkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit.
- Berücksichtigung von Lebenszykluskosten und Umweltschadenskosten.
- Beschaffung von Produkten mit Gütezeichen wie dem Blauen Engel.
- Zertifizierung mit EMAS.
Unterstützungsangebote für Beschafferinnen und Beschaffer bieten folgende Stellen der Bundesregierung:
Rechtsgrundlagen
Der Rechtsrahmen für die öffentliche Beschaffung wird von der EU durch EU-Vergaberechtsrichtlinien aus dem Jahr 2014 vorgegeben. Die Mitgliedstaaten können die europäischen Regelungen im Rahmen der Umsetzung mit Leben füllen und bei Bedarf zusätzliche nationale Regelungen erlassen, um die Regelungen zu spezifizieren und zu verstärken. Die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte durch die Vergaberechtsreform im Jahr 2016. Im deutschen Recht sind Vergabevorschriften mit Umweltbezug im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB), in der Vergabeverordnung (VgV), in den Sektorenverordnungen, in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), in den Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen Teil A und B (VOB/A und VOB/B), im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) und im Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz – SaubFahrzeugBeschG) verankert.
Darüber hinaus gibt es auf Länderebene Vergabevorschriften und auf Bundesebene interne Vorschriften zur nachhaltigen Beschaffung, wie zum Beispiel die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima), welche zur Zielerreichung der klimaneutralen Bundesverwaltung bis 2045, im Rahmen des Klimaschutzprogramm 2030, zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 erlassen wurde; sowie die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge in der Bundesverwaltung (AVV Saubere Fahrzeuge).
Mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) ist mit Paragraf 13 eine Regelung zur öffentlichen Beschaffung inkraftgetreten. Für Beschaffungsstellen des Bundes und für Behörden der Länder und Kommunen, welche Bundesrecht vollziehen, gilt danach das Berücksichtigungsgebot für den Klimaschutz, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Das Berücksichtigungsgebot gilt bei der Planung, Auswahl und Durchführung der öffentlichen Beschaffung. Es bedeutet, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung in allen Phasen der Beschaffung, auch schon bei der Bedarfsanalyse eingehalten werden müssen. Gemäß Paragraf 13 Absatz 2 KSG haben die Beschaffungsstellen den Produkten den Vorzug zu geben, die das Ziel der Minderung von Treibhausgasen über die gesamte Nutzungsdauer mit den geringsten Kosten erreichen. Lebenszykluskosten müssen demnach Beachtung finden, ebenso wie die volkswirtschaftlichen Kosten für den Klimaschutz. Dafür ist ein CO2-Schattenpreis zu Grunde zu legen.
Eine ähnliche Regelung für die Bevorzugungspflicht von ressourcenschützenden Produkten ist seit Oktober 2020 in Paragraf 45 KrWG verankert. Zweck des Gesetzes ist es unter anderem, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und diesem Zweck entsprechenden Produkten bei der Beschaffung den Vorzug zu geben.
Die bisherige Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Leistungen (AVV EnEff) wurde durch die AVV Klima weiterentwickelt. Sie enthält eine Prüf-; Berücksichtigungs- und Bevorzugungspflicht im Sinne von Paragraf 13 Absatz 2 KSG und konkretisiert die Implementierung der Vorgaben in die Beschaffungspraxis. Sie verweist auf die Einhaltung des Paragraf 45 KrWG und des Maßnahmenprogramms der Bundesregierung. Aspekte des Umwelt- und Klimaschutzes sollen konsequent berücksichtigt und insbesondere das höchste Energieeffizienzniveau der zu beschaffenden Leistungen sichergestellt werden. Das Ermessen, das den Beschaffungsstellen in den Vorschriften der VgV gewährt wird, wird insofern reduziert. Dies bezieht sich beispielsweise auf Regelungen zur Anwendung von Gütezeichen, EMAS oder Lebenszykluskosten.
Die neuen Regelungen unterstützen die Umwelt- und Klimaziele der Bundesregierung, zwingen Beschaffungsstellen jedoch nicht, umweltfreundliche Produkte zu beschaffen, die dem Verwendungszweck nicht entsprechen oder unzumutbare Mehrkosten entstehen lassen. Das Vergaberecht ist weiterhin anzuwenden und Paragraf 7 BHO bleibt unberührt. Für Beschaffungsstellen bietet der Rechtsrahmen alle Möglichkeiten, konsequent nachhaltig zu beschaffen und Aspekte der Kreislaufwirtschaft anzuwenden.
Weitergehende Informationen zur Auslegung und Anwendung der rechtlichen Vorschriften bietet das Umweltbundesamt mit dem Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung.