Grußwort von Steffi Lemke bei der Preisverleihung des UBi-Wettbewerbs zu Biodiversität in der Lieferkette

14.11.2023
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Die Bundesumweltministerin betont in ihrer Rede die Bedeutung des Natur- und Umweltschutzes für die Wirtschaft. Sie hebt hervor, dass Unternehmen zunehmend erkennen, dass eine starke Wirtschaft von einer gesunden Natur abhängt.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Frau Geisel (Sofie Geisel, Geschäftsführerin DIHK Service),
Herr Zens (Peter Zens, Vorstandsmitglied "Biodiversity in Good Company Initiative"),
Liebe Finalistinnen und Finalisten,
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie alle herzlich zur Preisverleihung des Wettbewerbs "Die Lieferkette lebt" im Rahmen des Projekts "Unternehmen biologische Vielfalt".

Ich freue mich immer, wenn es bei Veranstaltungen um Lösungen geht in diesen wahrlich herausfordernden Zeiten. Wenn es konkrete Erfolgsgeschichten gibt, die andere inspirieren und zur Nachahmung anregen können. Die Finalisten des Wettbewerbs haben solche Erfolgsgeschichten geschrieben. Für dieses Engagement danke ich ihnen allen schon jetzt ganz herzlich.

In immer mehr Unternehmen setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine starke Wirtschaft von einer gesunden Natur abhängt. Und dass das Engagement für den Naturschutz im ureigenen Interesse der Wirtschaft liegt. Darüber möchte ich heute sprechen.

Umzusteuern auf naturverträgliches Wirtschaften ist nicht nur ökologisch geboten, sondern hat in vielfacher Hinsicht auch unmittelbar ökonomische Vorteile. So kann eine umfassende Kreislaufwirtschaft Unternehmen unabhängiger von Rohstoffen machen. In Zeiten knapper Ressourcen, gestörter Lieferketten und hoher Rohstoffpreise ist das für manche Unternehmen eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens geworden. Auf meiner Reise nach China vor zwei Wochen hat sich abgezeichnet, wie ökonomisch wichtig der Wettlauf um die besten Umwelttechnologien werden wird – für Unternehmen auf der ganzen Welt. Sei es von effizienter Lasertechnologie bis zur kostengünstigsten Reinigungsstufe des Abwassers. Zudem achten Verbraucherinnen und Verbraucher bei Kaufentscheidungen zunehmend auf die Einhaltung von Umweltstandards. Hier liegen enorme Marktpotentiale.

Naturverträgliches Wirtschaften wird damit zum Wettbewerbsvorteil. Und es trägt dazu bei, die Grundlagen allen Wirtschaftens langfristig zu erhalten: ausreichend Wasser und Nahrungsmittel zum Beispiel. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, das Thema Biodiversität in ihren Managementstrategien zu berücksichtigen. Naturbedingte Abhängigkeiten – sei es von gesunden Ökosystemen wie Wäldern, Gewässern und ertragreichen Böden oder von bestimmten Tier- und Pflanzenarten – und daraus resultierende Risiken müssen untersucht und offengelegt werden. Dann kommt der wichtigste Teil: die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt gezielt zu reduzieren. Das Idealbild ist eine "nature positive economy" – eine Wirtschaft, die die Natur nicht weiter zerstört, sondern, im Gegenteil, zu ihrer Wiederherstellung beiträgt.

Schließlich zählt zum Beispiel das Weltwirtschaftsforum das Artenaussterben zu den größten ökonomischen Risiken der nächsten zehn Jahre. Natur und Wirtschaft werden nicht mehr nebeneinander oder gar in Opposition zueinander gestellt. Eine gesunde Natur ist nicht einfach nice to have. Sie ist vielmehr notwendig für unser Überleben – auch für unser wirtschaftliches Überleben. Ein plastisches Beispiel: Wenn der Verlust der biologischen Vielfalt und das Insektensterben so wie bisher voranschreitet, gibt es bald keine natürliche Bestäubung mehr. Das hätte verheerende Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion.

Die Wirtschaft ist also betroffen von der Naturzerstörung – und gleichzeitig trägt sie in hohem Maße zu dieser Zerstörung bei. Zum Beispiel folgen 90 Prozent der globalen Entwaldung aus der Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Flächen. Für ein Fünftel dieser Flächenumwandlungen ist die europäische Wirtschaft verantwortlich – durch ihre Importe von Agrarrohstoffen wie Kaffee, Soja oder Palmöl. Auch die Förderung von Bodenschätzen führt zu erheblichen Zerstörungen der Natur. Das schließt solche Rohstoffe ein, auf die wir für die Klimaneutralität unserer Wirtschaft, für die erneuerbaren Energien, angewiesen sind.

Das bedeutet aber im Umkehrschluss: Die Wirtschaft hat auch starke Hebel dafür in der Hand, die Natur zu schützen und zu stärken: Indem sie auf Kreislaufwirtschaft setzt zum Beispiel, und damit weniger Primärrohstoffe verbraucht. Indem sie auf Produktionsmethoden setzt, die weniger Wasser, Energie und Produkte aus der Natur verbrauchen. Indem sie ihre Logistik optimiert oder das eigene Firmengelände grüner gestaltet. Das sind nur einige Beispiele – wir werden heute im Verlauf der Veranstaltung noch weitere sehen.

Auch der Finanzsektor hat eine wichtige Lenkungswirkung für mehr Naturerhalt in unserer Volkswirtschaft. Dort wird tagtäglich entschieden, wie Unternehmen künftig produzieren, welche Häuser, Straßen, Bahnen oder Flughäfen hierzulande gebaut und welche Wirtschaftsprojekte weltweit realisiert werden. Die Finanzwirtschaft trifft täglich Entscheidungen über den Schutz der Natur.

Diese Erwartungshaltung an die Real- und Finanzwirtschaft spiegelt sich auch in der globalen Vereinbarung zum Schutz der Natur wider. Darauf hat sich die Staatengemeinschaft im Dezember letzten Jahres in Montreal geeinigt – trotz schwieriger geopolitischer Bedingungen. Sie umfasst das Ziel, dass Unternehmen und Finanzinstitutionen Aktivitäten offenlegen, die sich schädlich auf die biologische Vielfalt auswirken. Zusammen mit der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 gibt es damit einen starken Zielrahmen. Diese Vereinbarungen wollen wir jetzt umsetzen. Dazu legt das Bundesumweltministerium gerade die Nationale Biodiversitätsstrategie neu auf. Die "Nationale Biodiversitätsstrategie 2030" soll nächstes Jahr im Kabinett verabschiedet werden. Sie wird Ziele und Maßnahmen für alle Sektoren mit Bezug zur biologischen Vielfalt enthalten – auch für die Wirtschaft.

Auf EU-Ebene sind neue Anforderungen für Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten in den Lieferketten schon beschlossen oder geplant. Sie beinhalten explizit auch Biodiversität. Wichtig ist auch die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten bei Agrarprodukten.

Als Bundesumweltministerium wünschen wir uns, dass sich die Wirtschaft auch unabhängig von rechtlichen Anforderungen freiwillig stärker für die Natur engagiert. Dafür bieten wir den Unternehmen Unterstützung an:

Speziell zum Thema Biodiversität im Finanzsektor werden wir gemeinsam mit dem nationalen Sustainable Finance Beirat im Januar 2024 eine Konferenz organisieren. Die Ergebnisse wollen wir für die Weiterentwicklung der Sustainable Finance Strategie der Bundesregierung nutzen.

Als Teil unseres Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz werden wir Anreize für natürliche Klimaschutzmaßnahmen von Unternehmen schaffen, die auch zum Schutz der biologischen Vielfalt beitragen. Das neu aufgelegte KfW-Förderprogramm ermöglicht es zum Beispiel, Außengelände von Unternehmen und Gewerbeparks naturnah zu gestalten.

Zudem unterstützt das Bundesumweltministerium die Erarbeitung von Praxis-Leitfäden für Unternehmen, zum Beispiel zu Biodiversität im EU-Umweltmanagementsystem EMAS, oder die Entwicklung von online Hilfestellungen wie den WWF "Biodiversity Risk Filter", der in der Wirtschaft großen Anklang findet. Wichtig sind aber auch gute Praxisbeispiele, oder auch Dialogveranstaltungen und Trainings, sowie branchenspezifische Initiativen wie "Food for Biodivdersity". Ich freue mich sehr, dass diese Angebote ebenso wie der Lieferketten-Wettbewerb Teil des Projekts "Unternehmen Biologische Vielfalt" sind.

Meine Damen und Herren, es gibt schon viele Fortschritte, gute Ideen und Praxisbeispiele für nachhaltige, biodiversitätsfreundliche und entwaldungsfreie Lieferketten. Und zwar nicht nur bei großen Firmen, sondern auch bei kleinen und mittleren Unternehmen und im Finanzsektor. Das zeigt sich im UBi-Wettbewerb.

Ich danke allen Teilnehmenden sehr für ihr Engagement. Herzlichen Dank auch der Initiative "Biodiversity in Good Company" und der DIHK Service GmbH für die Organisation des Wettbewerbs und der heutigen Preisverleihung.

Ich wünsche mir, dass das Engagement für Natur und Biodiversität der Finalisten und natürlich der Gewinner als Initialzündung und Vorbild für viele weitere Unternehmen in den verschiedensten Branchen wirkt. Vielen Dank.

14.11.2023 | Rede Nachhaltigkeit
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