Rede von Steffi Lemke zur gemeinsamen Veranstaltung von BMUV und BMZ "Biologische Vielfalt – Unsere gemeinsame Verantwortung"

14.06.2022
Bundesministerin Steffi Lemke
Steffi Lemke sprach zum Event "Biologische Vielfalt – Unsere gemeinsame Verantwortung" über die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, den Schutz noch intakter Natur und über die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Kollegin,
liebe Svenja Schulze,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Jochen Flasbarth,
sehr geehrte Panelteilnehmende,
sehr geehrte Damen und Herren,

Nach Jahrzehnten der Zerstörung der Natur wollen wir ein Zeitalter der Renaturierung, der Wiederherstellung der Natur, einläuten. Mit diesem Anspruch ist die neue Bundesregierung angetreten. Seit Regierungsantritt haben sich viele Rahmenbedingungen fundamental geändert. Dieser Anspruch ist und bleibt allerdings richtig. Denn der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt nicht nur zu massivem Leid vor Ort und, wie Svenja Schulze eben ausgeführt hat, auch zu einer weltweiten Krise der Ernährungssicherheit. Er führt uns außerdem unsere Abhängigkeit von fossiler Energieversorgung und unseren verschwenderischen Umgang mit natürlichen Ressourcen noch einmal schmerzhaft vor Augen.

Es ist und bleibt richtig: Die Art und Weise, wie wir mit der Natur umgehen, muss sich ganz grundlegend ändern. Wir müssen der Natur mehr Raum geben

  • durch die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen,
  • durch wirksamen Schutz der noch intakten Natur auf unserem Planeten,
  • und durch die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme.

Dafür setze ich mich ein, global, in Europa und national.

Auf globaler Ebene ist die Weltnaturkonferenz der nächste Meilenstein. Schon vor acht Monaten wurde sie im chinesischem Kunming offiziell eröffnet. Seitdem ist wieder viel Zeit verstrichen, in der weitere Arten ausgestorben und Ökosysteme zerstört worden sind. Pandemie-bedingt droht eine erneute Verschiebung des zweiten, entscheidenden Teils der Konferenz. Das wäre genau das falsche Zeichen! Ich setze mich daher gemeinsam mit meinen internationalen Partnerinnen und Partnern dafür ein, dass die COP 15 unbedingt noch in diesem Jahr stattfindet. Ein weiteres Aufschieben wäre nicht akzeptabel.

Was wir brauchen ist ein echter Durchbruch im Kampf gegen die Zerstörung der Natur. Dafür kommt es meiner Auffassung nach auf drei Dinge entscheidend an.

Erstens wird es darum gehen, dass wir ehrgeizige neue Ziele formulieren. Schaffen wir es, alle Haupttreiber des Artenschwunds zu adressieren?

Ein prominentes Ziel ist, 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen. Deutschland setzt sich hierfür ein, auch innerhalb verschiedener Koalitionen, zum Beispiel die "High Ambition Coalition for Nature and People". Für Meeresschutzgebiete werben wir mit dem unter deutscher Präsidentschaft beschlossenen G7 "Oceans Deal" und im Rahmen der "Global Ocean Alliance".

Eines muss dabei klar sein: Auch, wenn die Prozentzahl wichtig ist, die Qualität der Schutzgebiete ist mindestens genauso wichtig. Das schließt das effektive Management und die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung mit ein.

Außerdem werden Schutzgebiete alleine das globale Artenaussterben nicht stoppen. Wir müssen uns auch um die Biodiversität in den verbleibenden 70 Prozent der Landes- und Meeresfläche kümmern. Gerade hier – auf intensiv genutzten Ackerflächen, entwässerten Mooren, eingepferchten Flüssen und abgeholzten Regenwaldflächen – ist die Wiederherstellung der Natur eine besondere Herausforderung. Auch hier muss die Weltnaturkonferenz Fortschritte bringen.

Neben den Zielen wird es entscheidend darauf ankommen, dass wir die Umsetzung in der neuen globalen Vereinbarung fest verankern, damit die neuen Ziele nicht wieder nur Absichtserklärungen bleiben. Gelingt es uns, so konkret zu sein, dass wir Erfolge und Misserfolge messen können? Genau das ist der Knackpunkt bei der nächsten CBD-Verhandlungsrunde in Nairobi. Dort muss es uns gelingen, die Diskussion um die Ziele mit der Diskussion um die Umsetzung zu verzahnen.

Dafür brauchen wir auch eine transparentere und vergleichbarere Berichterstattung weltweit.

Ein weiterer Erfolgsfaktor für die Verhandlungen ist eine angemessene Finanzierung. Die Bundesregierung hat deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir das finanzielle Engagement für die Umsetzung des neuen globalen Rahmens erheblich erhöhen werden. Die G7-Umweltministerinnen und -minister haben sich letzte Woche auf meine Initiative hin verpflichtet, die nationalen und internationalen Mittel für den Naturschutz bis 2025 zu steigern. Das ist ein wichtiger Erfolg. Und es ist gut, dass die biologische Vielfalt und die Renaturierung auch in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit eine immer wichtigere Rolle spielen, wie Svenja Schulze eben ausgeführt hat.

Ich möchte Ihnen ein ganz konkretes und aktuelles Beispiel für das globale Engagement meines Ministeriums nennen: Im März haben wir gemeinsam mit UNEP und CBD die Initiative "Nature for Health" in Form eines Multi-Partner-Treuhandfonds ins Leben gerufen.

Die COVID-19 Pandemie hat die Gefahr von Zoonosen für die gesamte Weltbevölkerung auf drastische Weise verdeutlicht. Veränderte Landnutzungen, die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft oder der Handel mit Wildtieren schaden der biologischen Vielfalt – aber eben auch uns Menschen, indem sie das Risiko für Pandemien erhöhen. Genau hier setzt der Treuhandfonds an. Aus der Internationalen Klimaschutzinitiative – IKI – stellen wir 50 Millionen Euro Startkapital für diesen Fonds bereit. Aktuell läuft die Vorbereitungsphase, bei der COP 15 wollen wir die operative Phase einläuten. Mit dem Fonds wollen wir einen zentralen Beitrag zur effektiven Umsetzung des One Health-Ansatzes leisten.

Parallel zu den globalen Verhandlungen geht Europa mit der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 mit gutem Beispiel voran. Die ehrgeizigen Ziele dieser Strategie sind ein wichtiges Signal für die CBD-Verhandlungen. Mit Hilfe der Biodiversitätsstrategie soll Europas Biodiversität bis 2030 auf den Weg der Verbesserung gebracht werden. Auch die EU will das Thema Wiederherstellung der Natur mit einer eigenen Verordnung angehen. Diese soll rechtsverbindliche Ziele enthalten. Ein Vorschlag dafür soll noch in diesem Monat von der EU-Kommission vorgestellt werden Ich unterstütze dieses Vorhaben ganz ausdrücklich.

Damit die neue globale Vereinbarung für biologische Vielfalt und die EU-Ziele auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden, wird Deutschland seine Nationale Biodiversitätsstrategie neu auflegen. Die Arbeiten haben bereits begonnen. Im Zuge der Neuauflage werden wichtige Themen ergänzt, die bisher fehlen oder zu kurz gekommen sind.

Ich möchte drei konkrete Beispiele nennen, wie ich hier in Deutschland den Naturschutz voranbringen werde. Auch hier geht es vielfach um die Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme. 

  1. Im März habe ich die Eckpunkte eines Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz vorgestellt. Moore, Auen, Wälder und Grünland, marine und Küstenökosysteme sollen dadurch geschützt, gestärkt oder wiederhergestellt werden. Dadurch sichern wir den Beitrag dieser Ökosysteme zum Klimaschutz, zur Anpassung an die Folgen der Klimakrise und zum Erhalt der Biodiversität.
  2. Auch in Deutschland steht und fällt der Naturschutz mit seiner Finanzierung. Für einen neuen Bundesnaturschutzfonds sind in den nächsten vier Jahren über eine halbe Milliarde Euro vorgesehen, allein für den natürlichen Klimaschutz bis 2026 vier Milliarden Euro. Das ist ein Quantensprung für Naturschutz und Biodiversität in Deutschland. Ein umfangreiches Artenhilfsprogramm wird insbesondere die Arten schützen, die bei einem verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien beeinträchtigt werden. Dazu werden auch die Windenergiebetreiber finanzielle Beiträge leisten.
  3. Mein drittes Beispiel ist der Meeresschutz. Ich will eine Offensive für den Meeresschutz starten. Sie soll alle Facetten des Meeresschutzes zusammenführen, um Schutz und naturverträgliche Nutzung der Meere miteinander in Einklang zu bringen. Hierzu setzt sich das Bundesumweltministerium für eine verbindliche und ressortübergreifende Meeresstrategie ein.

All diese Maßnahmen bewahren Natur- und Artenvielfalt und helfen im Kampf gegen die Klimakrise. Denn die Klimakrise und die Krise des Artenaussterbens lassen sich nur gemeinsam bekämpfen. Beim Klimaschutz ist es gelungen, mit dem Pariser Abkommen eine Trendwende einzuläuten. Eine solche Trendwende muss die Weltnaturkonferenz für die Biodiversität bringen – und das so bald wie möglich. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!

Informationen

www.biologischevielfalt.de

Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt

14.06.2022 | Rede Naturschutz

Weitere Informationen

https://www.bmuv.de/RE10121
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