Interview mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin zur Einführung des Dosenpfands

08.03.2002
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 058/02
Thema: Kreislaufwirtschaft
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Jürgen Trittin
Amtszeit: 27.10.1998 - 22.11.2005
14. Wahlperiode: 27.10.1998 - 22.10.2002

In der morgigen Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" erscheint folgendes Interview mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Die Fragen stellte Wolfgang Roth. Der Text ist frei.

Seit 1991 gilt in Deutschland die Verpackungsverordnung, die eine Pfandpflicht auf Getränkeverpackungen vorsieht, wenn die Mehrwegquote insgesamt unter 72 Prozent sinkt. Das Pfand gilt abernur für jenes Marktsegment, das unter seine spezifische Quote aus dem Jahr 1991 fällt. Zusätzlich muss in komplizierten Nacherhebungen überprüft werden, ob die Mehrwegquotenauch in der Folgezeit unterschritten sind. Diese Prozedur ist für das Bezugsjahr 1997 längst vollzogen, aber eine Klage von Industrie und Handel hinderte Bundesumweltminister JürgenTrittin daran, jene Zahlen zu veröffentlichen, die ein Zwangspfand auslösen würden. Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte am 22. Februar in zweiter Instanz, dass Trittinnichts mehr im Weg steht. Wann ist es also soweit? Trittin gibt darauf nun eine klare Antwort:

SZ: Herr Trittin, die Justiz hat gesprochen. Wann veröffentlichen Sie jene Zahlen, die eine Pfandpflicht zumindest für Bier und Mineralwasser in Dosen und Einwegflaschenauslösen?

Trittin: Nachdem die Zahlen für 1997 und die im Jahr 1999 abgeschlossene Nacherhebung geprüft und verifiziert sind und das Gericht uns voll und ganz bestätigt hat, ist der Weg frei. Wir werden aber vernünftigerweise auch die Zahlen berücksichtigen, die für 1998 und die im vergangenen Jahr abgeschlossene Nacherhebung überprüft sind. Das bedeutet, dass diePfandpflicht auch für CO2-haltige Erfrischungsgetränke gilt.

SZ: Was muss man sich darunter vorstellen?

Trittin: Cola, Fanta, Sprite usw. Die Verbraucher hätten nicht nachvollziehen können, dass zwar Bierdosen mit Pfand belegt werden, Coladosen aber nicht.

SZ: Wie sieht es beim Wein aus? Nach inoffiziellen Zahlen sinkt auch in diesem Bereich die Mehrwegquote stetig.

Trittin: Es sieht so aus, als müsste man für Einweg-Weinflaschen im Moment noch nicht mit einem Pfand rechnen. Aber die Zahlen sind in der Tat auch hier besorgniserregend, wenn man darandenkt, dass immer mehr Einweg-Ware aus dem Ausland konsumiert wird. Die Bundesregierung hatte in ihrer Novelle der Verpackungsverordnung jedoch eine Ausnahme für Wein verankert, weil in diesemMarktsegment noch kein einheitliches Mehrwegsystem existiert. Wenn nun Winzern und Weinhändlern nach der Rechtslage später auch ein Pfand droht, haben das die zu verantworten, die imBundesrat meinen Vorschlag blockiert haben.

SZ: Noch einmal ganz konkret: Das Pfand kommt für Dosen und Einwegflaschen in den Segmenten Bier, Mineralwasser, kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke. Wie sieht es beiFruchtsaft-Getränken aus, die in Tetrapacks angeboten werden?

Trittin: Noch ist es nicht soweit, dass für den Saft-Bereich eine Pfandpflicht fällig ist, es ist aber für die Zukunft nicht auszuschließen. Und dies, obwohl dasUmweltbundesamt den Tetrapack mittlerweile als ökologisch vorteilhafte Verpackung ansieht. Auch das hätten wir in unserer Novelle berücksichtigt, haben aber im Bundesrat leider keineMehrheit gefunden.

SZ: Wie sieht Ihr Zeitplan aus? Wann tritt das Zwangspfand in Kraft?

Trittin: Ich habe dem Bundeskanzler vorgeschlagen, die Pfandpflicht zum 1. Januar 2003 einzuführen. Wir wollen dies noch in diesem Monat im Kabinett beschließen und die Zahlen dann imJuli veröffentlichen. Dieser Kabinettbeschluss gibt den Getränkeherstellern und den Händlern Planungssicherheit und ausreichend Zeit, sich auf das Dosenpfand vorzubereiten. Siemüssen ja nicht nur gegebenenfalls Rücknahme-Automaten für das Leergut installieren. Es geht auch darum, die Verpackungen einheitlich als Pfandware zu kennzeichnen.

SZ: Hat der Bundeskanzler Ihrem Vorschlag zugestimmt?

Trittin: So ist es.

SZ: Könnten Industrie und Handel noch einmal Sand ins Getriebe bringen, zum Beispiel mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht?

Trittin: Das steht jedermann frei. Nach jetziger Rechtslage hätte eine solche Klage aber keine aufschiebende Wirkung.

08.03.2002 | Pressemitteilung 058/02 | Kreislaufwirtschaft
https://www.bmuv.de/PM1454
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