Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zur Nationalen Meereskonferenz

06.05.2025
Steffi Lemke bei ihrer Rede auf der Nationalen Meereskonferenz am 06. Mai 2025
Steffi Lemke hat bei der Nationalen Meereskonferenz in Berlin ihre letzte Rede im Amt als Umweltministerin gehalten und bedankte sich für das jahrzehntelange Engagement für den Schutz des Ozeans.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Exzellenzen,
liebe Freundinnen und Freunde des Meeres,
liebe Ocean Community,

herzlich willkommen zu diesem für mich wirklich feierlichen Anlass der ersten Meereskonferenz in Deutschland. Und das direkt im Vorfeld der UN-Ocean-conference in Nizza in wenigen Wochen. Dies ist die erste nationale Meereskonferenz, die in Deutschland stattfindet und das hat schon eine besondere Bedeutung.

Es freut mich wirklich sehr, dass Sie so zahlreich der Einladung gefolgt sind. Und ich finde, das ist ein lebendiger Beweis dafür, wie wichtig die Meere und der Meeresschutz hier in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit sind. Deshalb ist es mir eine wirklich besondere Ehre, meine letzte Rede im Amt als Umweltministerin zu diesem essentiellen Thema zu halten. Und es ist ein nahezu perfekter Abschluss der Amtszeit. Denn Meeresschutz ist nicht nur von immenser politischer und geopolitischer Bedeutung. Darauf komme ich noch mal zurück. Sondern es ist mir auch persönlich ein Herzensanliegen. Und ich will deshalb unterstreichen, was Bundeskanzler Scholz in seiner Videobotschaft betont hat. Die Meere sind der Ursprung des Lebens und sie sind die Lebensgrundlage bis heute für uns Menschen. Für Milliarden Menschen auf unserem Planeten bieten die Meere die wichtigste Eiweißgrundlage, die wichtigste Nahrungsgrundlage. Sie leisten außerdem einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz und zum Klimaschutz. Sie produzieren unseren Sauerstoff und sie haben den größten Teil der Erderhitzung bisher aufgenommen und gespeichert. Wir wissen gar nicht, wie es aussehen würde hier auf unserem Planeten, wenn sie das nicht getan hätten. Und ehrlich gesagt haben wir sie dafür in den letzten Jahrzehnten wirklich verdammt mies behandelt. Sie sind in keinem guten Zustand. Sie leiden unter den drei planetaren ökologischen Krisen, der Klimakrise, der Krise des Artenaussterbens aber auch unter der Verschmutzungskrise massiv. Diese drei Krisen kumulieren in den Meeren und verstärken sich dort auch noch gegenseitig.

Aktuell sind sie bedrohter denn je durch Kriege, durch politische Eskalation und durch strategische Absichten zu neuer Rohstoffausbeutung. Unter anderem deshalb habe ich den Meeresschutz zu einer der Prioritäten meiner Politik gemacht. Und wir haben in diesen letzten drei Jahren so viel erreicht, obwohl es eigentlich dreieinhalb Jahre Regieren im Krisenmodus gewesen ist, seitdem Russland die Ukraine überfallen hatte und die Krisen seitdem eigentlich nicht abgerissen sind.

Gestatten Sie mir, dass ich gemeinsam mit Ihnen darauf einen kurzen Rückblick werfe. Denn eines kommt aus meiner Sicht im demokratischen Diskurs völlig zu kurz. Das Würdigen und das immer wieder Erinnern an das, was erreicht wurde. Gerade progressive Politik, ökologische Politik, läuft häufig viel zu schnell zur nächsten Aufgabe, zum nächsten Problem, zum nächsten Step und reflektiert nicht, was erreicht worden ist. Deshalb finde ich es wichtig, das heute mit Ihnen gemeinsam tun zu können. Denn nichts davon wäre erreichbar gewesen ohne Sie. Alleine als Ministerin in einem Ministerium ist das nicht möglich.

Wir haben in den Schutzgebieten bessere Rückzugs und Ruheräume für gefährdete Arten und Lebensräume geschaffen. Ein Schritt, auf den so lange im Naturschutz gewartet wurde. Ich sage aber auch gleich dazu, und das werde ich noch öfter tun, da ist noch viel zu tun. Das war der Beginn, das ist noch lange nicht das Ende. Wir brauchen Beschränkungen der Fischerei in den Meeresschutzgebieten und wir brauchen das in Kooperation mit der Fischerei. Wir brauchen dringend Null-Nutzungszonen, damit sich bedrohte Arten, damit sich Fischbestände regenerieren und erholen können.

Zu den Erfolgen gehört der Startschuss für das Sofortprogramm für die Bergung von Munitionsaltlasten und die Vernichtung derselben. Ein Problem, das wirklich jahrzehntelang ignoriert wurde, wo vor der Größe, der Schwere der Aufgabe zurückgescheut wurde. Ich kann Ihnen sagen, es ist groß und es ist schwer. Aber das ist ja kein Grund, es nicht zu machen. Ich weiß nicht, wie viele aus dieser Community heute hier im Raum sind. Aber ich hoffe sehr, dass wir diese große Aufgabe gemeinsam weiter wuppen. Auch dort ist noch sehr viel zu tun. Aber wir wissen, dass das Gift aus dieser Weltkriegsmunition austritt und vor allem im so sensiblen Ökosystem Ostsee gravierende Schäden anrichten wird.

Über das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz – 3,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren, das größte Umweltschutzprogramm, das es in Deutschland jemals gab – fördern wir auch den Erhalt und die Wiederherstellung von Salzmarschen, Seegraswiesen und Algenwäldern. Das ist ein Beitrag für den Naturschutz und natürlich vor allem für den Klimaschutz. Die natürlichen Senken zu stärken, das wird eine der großen, sehr wichtigen Aufgaben bleiben. Ohne natürliche Senken, seien es Wälder, Moore oder eben Seegraswiesen, sind die Klimaschutzziele nicht erreichbar. In Deutschland nicht und auch woanders nicht.

Und es ist mir eine besondere Freude, dass es uns am letzten Tag der Existenz der Ampelregierung, buchstäblich am letzten Tag, am Morgen dieses Bruches der Regierung, noch gelungen ist, im Haushaltsausschuss eine Finanzierung für den Meeresschutz in Deutschland dauerhaft zu sichern. Etwas, das nicht von Haushaltskonjunkturen abhängig ist. Es sind 400 Millionen Euro an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt zur Einrichtung des Meeresnaturschutzfonds überwiesen worden. Wir rechnen hier mit mindestens zehn Millionen Einnahmen dauerhaft pro Jahr. Und, das darf ich auch einmal so sagen, dieses Geld ist dem Finanzminister nicht mehr zugänglich. Die Mittel dafür kommen von der Offshore-Windindustrie. Und wenn die kommende Regierung die Politik in diesem Punkt nicht ändert, dann werden auch noch weitere Mittel aus der Offshore-Windindustrie in diesen Fonds übertragen werden können.

Der Schutz der Meere kennt keine Grenzen. Das wissen Sie alle hier ganz genau. Und deshalb ist es gut, dass wir auch auf europäischer und internationaler Ebene so viel erreichen konnten – zum Beispiel die Weltnaturschutz-Vereinbarung von Montreal mit dem 30 x 30-Ziel, das jetzt natürlich noch in die Realität umgesetzt werden muss. Das Bundesumweltministerium arbeitet daran intensiv. Dabei sind viele von Ihnen involviert. Und auch das bleibt eine Aufgabe, die noch nicht abgeschlossen ist.

Oder das UN-Hochsee-Schutzabkommen. Dazu möchte ich mich direkt an Sebastian Unger wenden, unseren nationalen Meeresbeauftragten. An dieser Stelle möchte ich auch deine Tätigkeit wirklich einmal intensiv würdigen. Nach so vielen Jahren des Verhandelns kam dieses Abkommen endlich zustande. Nach, ich glaube, 18 Jahren gibt es jetzt das internationale Hochseeschutzabkommen. Jetzt können wir an das Einrichten von Meeresschutzgebieten auf der Hohen See gehen. Und das ist auch ganz besonders dein Verdienst.

Ich glaube, dass es insgesamt unser gemeinsames Anliegen war, den Meeresschutz auch strukturell auf neue Füße zu stellen und mit der Stelle des Meeresbeauftragten national und international einen Ansprechpartner zu schaffen für den Meeresschutz in all seinen Facetten. Dafür auch dir herzlichen Dank.

Und auch das sei an diesem Tag an dieser Stelle gesagt: Diese Stelle ist kein Sonderbeauftragter, der zusätzliches Geld gekostet hat, sondern es ist eine der effizientesten Stellen, die die Bundesregierung jemals eingerichtet hat und die in so kurzer Zeit politisch so unglaublich viel erreicht hat.

Wir sind gerade auf dem Weg, das internationale Abkommen gegen die Plastikvermüllung unseres Planeten abzuschließen. Ich hoffe sehr, dass das im Sommer in Genf gelingen wird. Die Widerstände sind riesig. Das wird viel Rückgrat, das wird einen langen Atem, das wird dicke Muskeln erfordern, dieses Abkommen hinzubekommen. Aber es ist überlebensnotwendig für uns alle. In jedem Monat erfahren wir mehr über die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Plastik im Gehirn, in der Blutbahn, überall auf unserem Planeten, in den entferntesten Gebieten. Und deshalb brauchen wir entschiedenes internationales Handeln im Kampf gegen die Plastikverschmutzung.

Wir haben in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation erreicht – auch das auf den letzten Metern –, dass sich die Mitgliedstaaten auf einen Fahrplan zur Klimaneutralität bis 2050 geeinigt haben und auch gegen die Verschmutzung von Luft aus der Seeschifffahrt wichtige Meilensteine festgelegt haben. Auch das müssen wir aus meiner Sicht wirklich würdigen. Es ist komplett unter dem öffentlichen Radar durchgelaufen, das hat es nicht verdient.

Und wir haben uns gemeinsam mit 30 anderen Staaten für eine konsequente Umsetzung des Vorsorgeansatzes im Tiefseebergbau eingesetzt und hier auf internationaler Ebene wirklich eine Veränderung des Blickes auf die Tiefsee, soweit man überhaupt darauf blicken kann, erreicht. Seit 2022 wirbt die deutsche Bundesregierung für eine vorsorgliche Pause, weil wir so riesige Wissenslücken in der Tiefsee haben. Wir wüssten überhaupt nicht, was wir dort unten gefährden und zerstören, wenn jetzt in den kommerziellen Tiefseebergbau eingestiegen würde. Und deshalb möchte ich mich auch an dieser Stelle einmal von Herzen bei der Wissenschafts-Community bedanken. Denn ohne Sie, ohne euch wären wir auch hier nicht so weit gekommen.

Und der letzte Punkt zeigt noch einmal sehr eindringlich, wie viel zu tun bleibt, wie viel für die kommende Bundesregierung in diesem Bereich wirklich als Aufgabe vor ihnen liegt. Denn wir haben gerade in den letzten Tagen sehen müssen, dass der US-amerikanische Präsident Trump ein Dekret zur Förderung des Tiefseebergbaus unterschrieben hat. Und das, obwohl die nötige Wissensgrundlage und irgendein Ansatz von robustem Regelwerk bisher komplett fehlen und das auch die Arbeit der Vorgängerregierungen in den Vereinigten Staaten, insbesondere von John Kerry, komplett zunichtemachen würde. So sollte Demokratie auch im Grundsatz nicht funktionieren und arbeiten, wenn sie als politisches Staatsprinzip in Zukunft überleben will. Die Folgen für die empfindlichen Ökosysteme sind nicht absehbar, und deshalb ist es gut, dass die neue Bundesregierung sich im Koalitionsvertrag auch zu der vorsorglichen Pause beim Tiefkühlbergbau bekannt hat. Ich baue darauf, dass sie das jetzt auch umsetzen wird.

Für die nächsten Jahre liegen wichtige Aufgaben vor ihnen – vor der Bundesregierung, vor dem Parlament, auch den Landesparlamenten und natürlich der europäischen und internationalen Ebene. Wir brauchen in unseren nationalen Meeresschutzgebieten ein robustes Management, ein effektives Management, um hier die Artenvielfalt zu schützen.

Und wir brauchen den gesetzlichen Ausschluss von Erdöl- und Gasförderung in so sensiblen Ökosystemen wie dem Wattenmeer. Und natürlich brauchen wir grundsätzlich den Ausstieg aus der fossilen Förderung, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen. Aber dass vor Borkum mit dem Gasförderprojekt dort in eines der sensibelsten und wichtigsten Ökosysteme, das wir haben, eingegriffen werden soll, mit einem relevanten Störungs- oder Zerstörungspotenzial – das ist nicht hinnehmbar.

Wir können mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz im Handlungsfeld Meere und Küsten viel bewegen in den nächsten Monaten. Der Bundestag hat ja bereits 100 Milliarden Euro zusätzliche Finanzmittel für die künftige Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Und natürlich ist es dann sinnvoll, auch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz noch weiter aufzustocken. Denn die natürlichen Senken hinken im Klimaschutz weit hinter ihren Zielen, den gesetzlichen Zielen hinterher.

Die Verschmutzung durch Plastik, Schad- und Nährstoffe muss reduziert werden. Auch das bleibt als Thema unbedingt auf der Agenda.

Und – das ist vielleicht eine leichtere Aufgabe – das UN-Hochseeschutzabkommen in deutsches Recht hinein zu ratifizieren. Ich bedauere, auch weil Peter Thompson hier ist, dass wir es nicht zur UN Ocean-Konferenz schaffen, durch die vorgezogenen Bundestagswahlen. Aber schaffen werden wir es, das kann ich versprechen. Es sind ein paar Aufgaben für die zukünftige Bundesregierung, die ich jetzt aufgezählt habe. Sie sehen, es wird nicht leichter, es bleibt viel zu tun. Das packt man am besten energisch an. Dafür ist dieses erfolgreiche Jahr oder dieses Jahr mit viel Aufmerksamkeit auf den Ozeanschutz, mit der UN Ocean-Konferenz, mit den Verhandlungen zum Plastikabkommen, wirklich gut geeignet.

Ich bin Präsident Macron für sein großes Engagement dankbar. Auch Bundeskanzler Scholz, dass er dieses Grußwort hier noch gehalten hat. Und ich hoffe, dass die zukünftige Bundesregierung an dieses Engagement auch im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft anknüpfen wird.

Für mich bleibt Meeresschutz ein Sicherheitsthema. Nicht nur für Natur, Umwelt und Klima, sondern auch im geopolitischen Sinne. Wir sehen alle, was für Folgen die Bedrohung durch die Förderung von Rohstoffen, vor allem von fossilen Rohstoffen in den Meeresschutzgebieten, in den Meeresgebieten haben kann. Zerstörung von Umwelt, aber auch die zunehmende Gefahr von Krisen, von Krieg und damit weiterer Zerstörung auch der Meere. Und deshalb sind die Chancen, internationale Kooperation, Multilateralismus durch Naturschutz, durch Umweltschutzabkommen zu stärken, in diesen Zeiten von so essentieller Bedeutung. Kaum ein anderes Thema hat in den vergangenen drei Jahren international so viel Fortschritt ermöglicht wie Umwelt- und Naturschutz. Das als einen Stabilitätsanker im geopolitischem Sinne zu verstehen, das, so hoffe ich, wird auch ein Zeichen dieser Konferenz sein.

Damit möchte ich mich von Ihnen verabschieden und erneut von Herzen bedanken für Ihr jahrelanges, jahrzehntelanges Engagement für den Schutz des Ozeans. Bleiben Sie stabil. Machen Sie so weiter. Die Meere werden Sie brauchen. Ich werde dem Umwelt- und Naturschutz erhalten bleiben, an anderer Stelle, und nehme von der Konferenz mit, dass viel zu tun bleibt, auch für meinen Nachfolger. Herzlichen Dank. Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen mit Ihnen zu arbeiten.

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06.05.2025 | Rede Meeresschutz

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