Rede von Steffi Lemke zur Wiederansiedlung des Baltischen Störs

07.05.2024
Bundesministerin Steffi Lemke
Steffi Lemke hat den Nationalpark Unteres Odertal besucht und Jungstöre im Rahmen des Wiederansiedlungsprogramms ausgesetzt. Zudem hat sie einen Förderbescheid zum Projekt "HaffStör" an das IGB übergeben.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Treichel,
Herr Gessner,
Anwesende,

Ich freue mich, heute bei Ihnen an der Oder zu sein. Dieser Termin ist einer, der Mut macht. Denn mit der Wiederansiedelung des Störs tun Sie ganz konkret etwas gegen das Artenaussterben.

Das ist leider dringend nötig. Störe gibt es schon seit etwa 200 Millionen Jahren. In dieser für uns Menschen kaum fassbaren Zeitspanne haben sie es geschafft, Meteoriteneinschlägen und Eiszeiten zu trotzen. Aber unsere jetzige Art zu leben und zu wirtschaften, Erderhitzung, Umweltverschmutzung und Naturzerstörung setzen den Stören massiv zu. Heute sind sie die am stärksten bedrohte Tiergruppe weltweit.

Mit der Verarmung unserer natürlichen Umwelt und dem völligen Verschwinden von Arten wollen und dürfen wir uns nicht abfinden. Durch das Abkommen von Montreal zum Schutz der Natur hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, die biologische Vielfalt zu erhalten und wo nötig wiederherzustellen. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, arbeiten wir in Deutschland derzeit an der Neuauflage der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Mit ihren Aktionsplänen wird sie unser verbindlicher Fahrplan für die Umsetzung der Ziele von Montreal sein.

Die Wiederansiedelung des baltischen Störes ist ein gutes Beispiel für den organisierten Widerstand gegen den massiven Verlust der Biodiversität. Es reicht schon lange nicht mehr, die Natur zu schützen. Wir müssen sie aktiv reparieren, wiederherstellen. Dazu gehört auch die Wiederansiedelung von Arten wie dem Stör. Um gute Lebensbedingungen für den Stör und viele andere Arten im und am Wasser zu schaffen, müssen die Belastungen der Oder zurückgehen. Im Sommer 2022 musste Ihre wertvolle Arbeit einen schweren Rückschlag hinnehmen. Hunderte erwachsene Tiere und tausende Jungstöre in den Zuchtanlagen sind den Giften der Brackwasseralge Prymnesium parvum zum Opfer gefallen.

Das darf sich nicht wiederholen. Die Salzeinleitungen in die Oder, Hauptursache des damaligen Fischsterbens, müssen reduziert werden. Das Flusssystem muss durch Renaturierung belebt und widerstandsfähig gemacht werden gegen die Folgen der Klimakrise. Das bleibt ein wichtiges Anliegen, für das ich mich weiter einsetzen werde.

Denn das Risiko eines erneuten Fischsterbens besteht weiterhin. Die invasive Brackwasseralge ist mittlerweile in der Oder etabliert. Im Frühjahr, wenn mehr Licht ins Wasser fällt und das Wasser langsam wärmer wird, steigt die Konzentration der Alge. Die derzeitigen Werte sind weder für die heute ausgesetzten Störe, noch für andere Arten problematisch.

Die Situation wird außerdem sorgfältig beobachtet, um eine Massenentwicklung der Alge frühzeitig erkennen zu können. Dazu tauschen wir uns mit der polnischen Seite aus. Es laufen auch Gespräche, um die deutsch-polnische Expertengruppe, die aufgrund des Fischsterbens 2022 eingerichtet wurde, wiederzubeleben. Ich bleibe aber weiterhin besorgt, dass sich die Ereignisse von 2022 bei steigenden Temperaturen und Niedrigwasser in diesem Sommer wiederholen könnten.

Es gibt aber noch viele weitere Faktoren, die die Lebensbedingungen des Störs beeinflussen. Ziel ist es, möglichst alle Bedrohungsfaktoren zu erkennen und zu minimieren.

Daher freue ich mich ausdrücklich, heute dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) den Förderbescheid für das Vorhaben "HaffStör" überreichen zu können. Dieses Forschungsvorhaben will die Grundlagen dafür schaffen, um die Wiedereinbürgerung des baltischen Störs abzusichern. Dafür stellen wir gut 1,8 Millionen Euro aus dem Artenhilfsprogramm des Bundesamts für Naturschutz und des Bundesumweltministeriums zur Verfügung.

In den kommenden dreieinhalb Jahren werden die Wanderwege der ausgewilderten Störe analysiert und die Auswirkungen der Beifänge in der Stellnetzfischerei untersucht. Aus den Erkenntnissen werden Fischereitechniken entwickelt und umgesetzt, mit denen sich Beifang vermeiden lässt. Wichtige Partner bei diesem Vorhaben sind die Fischereibetriebe, sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite. Diese Partnerschaften sind ein Schlüssel für den Projekterfolg. Das Projekt baut auf gemeinsamen Interessen auf, allen voran der Erhaltung der biologischen und wirtschaftlichen Grundlagen an der Oder und ihrem Haff.

Das Vorhaben ist ambitioniert. Aber manchmal braucht man ehrgeizige Ziele, damit sich wirklich etwas verändert. Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Widerstand gegen das Artenaussterben Erfolg hat – damit der Stör dauerhaft wieder in der Oder heimisch werden und sein Lebensraum gesichert werden kann. Mein Dank gilt dem IGB, dem Nationalpark Unteres Odertal, dem Bundesamt für Naturschutz und den vielen weiteren Partnerorganisationen.

Herzlichen Dank für Ihre wichtige Arbeit!

07.05.2024 | Rede Naturschutz

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