Rede der Bundesministerin Steffi Lemke beim Zweiten Forum Endlagersuche

17.11.2023
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Das Planungsteam Forum Endlagersuche lud im Rahmen des Standortauswahlverfahrens zum jährlichen Forum Endlagersuche ein. Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat die Veranstaltung mit einem Grußwort eröffnet.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Bürgerinnen und Bürger hier im Raum und digital,
liebe Mitglieder des Planungsteams Forum Endlagersuche,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr über die Gelegenheit, das zweite Forum Endlagersuche zu eröffnen. Die hochradioaktiven Abfälle sind wohl die gefährlichste Hinterlassenschaft der menschlichen Zivilisation. Sie müssen so bald wie möglich so sicher wie möglich endgelagert werden. Das ist unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Uns ist bewusst, dass dies mit größten Anstrengungen verbunden ist und umso schwieriger wird, je größer die Abfallmenge wird. Gerade auch deshalb war es richtig, am Atomausstieg in Deutschland festzuhalten und keine weiteren hochradioaktiven Abfälle zu produzieren.

Das immerhin ist geschafft. Jetzt geht es um die sogenannte "Entsorgung". Als sicherste Methode dafür gilt nach allgemeiner, weltweit geteilter wissenschaftlicher Erkenntnis die geologische Tiefenlagerung. Das Standortauswahlgesetz ist ein intensiv ausgehandelter, breiter Konsens, mit dem der jahrzehntelange Konflikt über den Umgang mit den hochradioaktiven Abfällen beigelegt werden konnte. Das war erst möglich nach dem breiten gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg im Jahr 2011. Dieser gut begründete Konsens sollte auch weiterhin Maßstab unseres Handelns sein.

Das Standortauswahlverfahren muss jetzt konsequent fortgeführt werden. Es ist dabei ein demokratisches und rechtsstaatliches Gebot, die vereinbarten Regeln in ihren Kernelementen in einem laufenden Verfahren nicht zu ändern. Das gilt insbesondere, wenn schon klar ist, dass es sehr lange dauern wird. Darauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen können.

Wir sind derzeit mit einer Debatte zum Wiedereinstieg in die Atomkraftnutzung konfrontiert, die in Teilen auch mit dem falschen Versprechen operiert, die hochradioaktiven Abfälle könnten ohne geologisches Tiefenlager unschädlich gemacht oder gar energetisch genutzt werden. Diese Vorstellung ist so offensichtlich falsch wie irreführend. Richtig ist dagegen, das möchte ich wiederholen: Nur ein Tiefenlager bietet künftigen Generationen die unter allen denkbaren Umständen bestmögliche Sicherheit.

Aufgrund meiner Aufforderung hat die BGE vor einem Jahr erstmals eine zeitliche Planung vorgelegt und mit den neuen Zeiträumen viele überrascht. Doch die vom Bundestag eingesetzte Endlagerkommission hatte bereits 2016 in ihrem Abschlussbericht festgestellt, dass die Realisierungszeiträume bis zur Festlegung eines Standorts nur schwer einschätzbar seien. Aufgrund von längeren Abläufen könnten sich die Zeitspannen weit in die Zukunft erstrecken – infolge beabsichtigter oder nicht beabsichtigter Wartezeiten, gerichtlicher Auseinandersetzungen, Änderungen im Prozessablauf bis hin zu Planänderungen und Rücksprüngen. Dies zeigt sich auch in den aktuellen zeitlichen Abschätzungen zum Verfahren.

Wir dürfen aber die langen, zu langen Zeiträume, bis die hochgefährlichen Abfälle so sicher wie möglich verwahrt sind, nicht einfach hinnehmen. Denn letztlich ist der Zeitfaktor auch ein Sicherheitsfaktor. Deshalb ist es gut und wichtig, dass Sie sich hier in dieser Versammlung engagierter und fachkundiger Menschen auch mit den Möglichkeiten beschäftigen, das Suchverfahren stringenter zu gestalten. In der Diskussion mit Ihnen, mit der BGE und der Aufsichtsbehörde BASE wollen wir Optimierungspotenziale identifizieren. Im kommenden Jahr wollen wir unsere Vorschläge dazu öffentlich diskutieren. Ich betone aber erneut: Eine Einschränkung demokratischer Beteiligungsrechte kommt für mich dabei ebenso wenig infrage wie die der wissenschaftlichen Qualität und damit der Sicherheit.

Nach dem derzeitigen Stand des Suchverfahrens werden noch rund 54 Prozent der Fläche der Bundesrepublik auf eine Eignung für ein solches Endlager hin bewertet. Das ist der Ausgangspunkt für einen aufwändigen und mit wissenschaftlicher Qualität und Transparenz durchzuführenden Prozess, in dem wir dann schrittweise zu einem konkreten Standort kommen.

Ich möchte im Folgenden kurz skizzieren, wie wir das Standortauswahlverfahren gemeinsam weiterentwickeln und voranbringen können.

An erster Stelle steht aus meiner Sicht die Identifikation potenzieller Standortregionen. Hier muss die BGE, die Bundesgesellschaft für Endlagerung, Entscheidungen treffen, um die bisher 54 Prozent der gesamten bundesdeutschen Fläche zu reduzieren. Eine derart große Zahl an potenziellen Standortregionen wurde beim Erlass des Standortauswahlgesetzes auch in der Endlagerkommission nicht erwartet. Diese Entscheidungen müssen wissenschaftlich gut begründet sein. Die Geologie in Deutschland ist in weiten Teilen an sich sehr gut erkundet. Für ein Endlager jedoch brauchen wir eine ereignisarme Geologie ohne besondere Bodenschätze. Diese allerdings ist bisher nicht intensiv untersucht worden. Aus diesem Grund brauchen wir einen ehrlichen Umgang mit unseren Wissenslücken. Denn eins ist sicher: Wir können nicht halb Deutschland erkunden.

Die heutige Veranstaltung führt uns vor Augen, welch großes Interesse an der Endlagersuche besteht. Insbesondere freut mich das große Interesse junger Menschen. Die Atomkraftwerke sind zwar abgeschaltet, doch der Abfall bleibt bestehen. Nur im gemeinsamen Dialog können wir voneinander lernen. Dafür werden dauerhaft und kontinuierlich Möglichkeiten gebraucht, gehört zu werden. Hier müssen das Bundesamt, aber auch BGE und NBG die bestehenden Formate fortentwickeln und bei Bedarf auch noch weitere anbieten. Das BASE hat die Aufgabe, die Einhaltung des Standortauswahlgesetzes und dessen Prinzipien sicherzustellen: partizipativ, wissenschaftsbasiert, transparent, selbsthinterfragend, lernend und vergleichend. Das Gesetz bietet die Grundlage für ein erfolgreiches Standortauswahlverfahren.

Bei allen Herausforderungen sollten wir eines nicht vergessen: Das Verfahren ist gut und verdient Vertrauen. Wir sind damit auf dem richtigen Weg und einer Lösung des Atommüllproblems bereits näher als viele andere Staaten. Es ist für mich zentral, dass wir zu einer guten Lösung finden. In diesem Sinne werde ich mich weiter mit aller Kraft engagieren und – wo es nötig ist – auch einzelne Vergessliche in der Bundes- und Landes-Politik daran erinnern, wie wichtig der gemeinsame politische Rückhalt für die Endlagersuche ist.

Es liegt ein inhaltlich reich gefülltes Forum Endlagersuche vor uns. Ich freue mich auf den nun folgenden Impuls der jungen Generation und das anschließende Gespräch.

Lassen Sie uns konstruktiv zusammenarbeiten. Dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg und gutes Gelingen!

17.11.2023 | Rede Endlagerprojekte

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