Table.Briefings/Climate Table: Herr Flasbarth, wie fühlen Sie sich als einziger Klimaschützer in dieser Regierung?
Jochen Flasbarth: Ich bin ja nicht der einzige Klimaschützer. Wir haben in den Ressorts viel Fachkenntnis. Und wir haben einen Minister, der deutlich gemacht hat, dass er Klimaschutz zu einer Top-Priorität für sich macht. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem gebündelten Know-how dieses Hauses eine gute Klimapolitik durchsetzen.
Aber wie? Im Koalitionsvertrag werden die Klimaschutzziele bekräftigt, aber dann fehlen die Maßnahmen, um sie zu erreichen.
Das Bekenntnis zu den deutschen und europäischen Klimazielen und zur Umsetzung des Paris-Abkommens ist die wichtigste Aussage. In den letzten Jahren hat sich der Klimawandel dramatisch beschleunigt. Man muss daran erinnern: Das deutsche Klimaschutzgesetz ist kein unverbindliches Vorhaben, sondern ein Gesetz mit einer sehr klaren Vorgabe von Klimaneutralität 2045.
Was nützt ein scharfes Ziel, wenn die entsprechenden Maßnahmen fehlen? Laut Expertenrat verfehlen wir die Ziele nach 2030 mit dem, was bisher geplant ist. Und im Koalitionsvertrag steht kaum etwas, wo mehr im Klimaschutz und vieles, wo weniger gemacht werden soll.
Als wir das Klimaschutzgesetz eingeführt haben, hieß es, das ist zahnlos, weil es nur Ziele vorgibt und keine Maßnahmen umsetzt. Ich war und bin überzeugt, dass das Gesetz genau der richtige Ansatzpunkt ist, auch weil es die einzelnen Sektoren und die Fachpolitiken damit in die Verantwortung nimmt. Das ist in der letzten Legislaturperiode ein Stück aufgeweicht worden. Ich fand das nicht die beste Idee…
...Sie können es ja wieder verschärfen, die Union hat ja in der letzten Legislatur die Wiedereinführung der Sektorziele gefordert.
Diese Debatte wird nicht immer ganz ehrlich geführt. Schon bevor die Koalitionsverhandlungen zur Ampel begannen, hatten sich Grüne und FDP darauf verständigt, dass der starke Ansatz über die Sektorziele aufgeweicht wird. Ich weiß auch, wie politische Kompromisse zustande kommen.
Taugt das Klimaschutzgesetz mit diesen Mängeln noch dazu, gute Klimapolitik zu machen?
Das Gesetz ist noch klar genug, um mit den anderen Ressorts gute Klimapolitik vereinbaren können. Richtig ist aber auch: Mit dem Klimaschutzgesetz und dem Koalitionsvertrag allein ist es nicht getan. Wir tun nicht genug, kein Land tut genug. Und deshalb sieht das Klimaschutzgesetz ja auch vor, dass wir bis zum Ende des ersten Jahres der Legislaturperiode ein Klimaschutzprogramm vorlegen. Wir wollen sogar schneller sein und das noch 2025 präsentieren. Da werden wir darlegen, mit welchen Maßnahmen wir die Ziele erreichen wollen.
Und da steht alles drin, was Sie im Koalitionsvertrag nicht durchsetzen konnten? Die Streichung von Pendlerpauschale und Agrardiesel und ein Tempolimit?
Das weiß ich nicht. Wir machen jetzt erstmal Inventur und schauen uns die Situation genau an. Der Minister bekommt die verschiedenen Großbaustellen im Klimaschutz gut aufbereitet, dann wird er sich positionieren. Klar ist: Diese Koalition hat sich vorgenommen, das Land so in Schwung zu bringen, dass wir das Wegbrechen am populistischen Rand aufhalten. Das ist die große Motivation und ich stehe voll dahinter. Da müssen wir alles ordentlich organisieren.
Von der schwarz-roten Koalition kommt allerdings kein Signal, dass Klimaschutz zentral wichtig ist. Die Spitzen von SPD und Union nehmen das Wort nicht in den Mund, und das ganze Klimathema landet in Ihrem Haus. Die anderen Ministerien müssen sich nicht groß kümmern.
Da muss ich schon etwas schmunzeln. Als die Ampel den Klimaschutz auf vier Häuser verteilt hat, wurde bittere Klage geführt, wie dieses Politikfeld geschwächt würde. Jetzt wird alles zusammengeführt. Und das ist angeblich auch wieder eine Schwächung. Also, wir haben ein tolles Team hier und jetzt geht's los.
Sind die Finanzfragen geklärt? Wer verwaltet die Internationale Klima-Initiative IKI – und hält sich Deutschland an sein Versprechen, sechs Milliarden Euro jährlich in die globale Klimafinanzierung zu geben?
Die internationale Klimafinanzierung ist ein integraler Bestandteil der internationalen Klimapolitik. Bei den sechs Milliarden ist unsere Lesart, dass wir das international zugesagt haben. Das ist nicht zurückgenommen worden. Worte von Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern unterliegen nicht der Diskontinuität und deshalb gilt das fort und Deutschland wird einen fairen Anteil der internationalen Klimafinanzierung leisten.
In vier Wochen beginnt die Klimakonferenz in Bonn. Deutschland hat seine Klima-Beauftragte abgeschafft, investiert in Gas und streicht die Entwicklungshilfe zusammen. Sieht so eine Führungsrolle im globalen Klimaschutz aus?
Führungsrolle heißt, dass wir als international verlässlicher Partner mitgestalten wollen. Die internationale Lage im Klimaschutz hat sich ja komplizierter entwickelt. Diese Regierung bekennt sich zu den deutschen und europäischen Klimazielen. Deshalb stehen wir schon ganz gut da. Ein Land hat das Pariser Abkommen verlassen. Hier kommen natürlich Erwartungen auf uns zu, dass die EU und Deutschland ihre Führungsrolle weiter stärken. Die meisten internationalen Kolleginnen und Kollegen kennen mich und ich kenne die meisten. Jeder hat Jennifer Morgan und mich als sehr enge Partner erlebt, niemand wird in dem Wechsel von ihr zu mir weniger Ambition erkennen. Was Jennifer Morgan gemacht hat, hat Deutschland viel Anerkennung gebracht und sie hat die internationale Agenda in schwierigen Zeiten mit vorangetrieben. Ich habe riesige Hochachtung davor und vor ihr. Trotzdem glaube ich, dass wir in den acht Jahren vorher, als ich diese Aufgabe ohne den Titel eines Sonderbeauftragten gemacht habe, auch eine starke Rolle in den Klimaverhandlungen gespielt haben. Das wird auch wieder so sein. Und die Unterstützung der Klimapolitik im Auswärtigen Amt und in den Botschaften, die wird bleiben.
Aber Jennifer Morgan hat ja praktisch die ganze Zeit im Flugzeug gesessen und sich auf die globale Rolle konzentriert. Sie dagegen sollen einerseits hier das Ministerium führen und umbauen, alle andere Themen klären und das internationale noch oben drauf. Ist das nicht selbst für einen Jochen Flasbarth ein bisschen viel?
Deshalb muss man sich gut organisieren. Mir kommt entgegen, dass ich das Haus sehr gut kenne und auch viele Themen hier. Es kann nicht alles beim Minister oder beim Staatssekretär hängenbleiben. Wir haben hier viel Exzellenz und werden die Arbeit so organisieren, dass das leistbar ist.
In Europa wird das große Thema der Emissionshandel 2, der ab 2027 kommen und die Preise für Sprit und Heizung nach oben treiben wird. Wird der auch gegen den Widerstand vieler Osteuropäer so kommen wie geplant?
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir an diesem Instrument festhalten. Aber das geht natürlich nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern wir brauchen in der EU Unterstützung und stabile Mehrheiten. Die erste Reise des Ministers ging nach Warschau. Da ist das ein großes Thema, innenpolitisch sehr aufgeheizt. Und das ist auch in anderen Ländern so. Im Prinzip sind das die gleichen Themen, die bei uns auch knirschen. Wie kriegt man eine sozial verankerte Transformation hin, bei der die Menschen sich nicht abgehängt fühlen.
Und? Wie kriegt man sie hin?
Man muss immer auch gucken, was die Alternativen sind. Klar ist doch: Wenn man kein Preissignal hat, dann braucht man andere Instrumente. Und wer beim CO2-Preis skeptisch ist, der ist bei den Alternativen vielleicht noch skeptischer. Denn das bedeutet mehr Ordnungsrecht. Da muss man verbieten, vorschreiben, technische Vorgaben machen, wie das in den siebziger Jahren war. Und eine solche ordnungsrechtlichen Lösungen sind ja auch nicht das, was gerade auf nationaler und europäischer Ebene beliebt ist. Wir arbeiten im Gegenteil ja alle am Abbau von Bürokratie.
Wäre nicht die Lösung, einfach mehr Geld in den EU-Klimasozialfonds zu packen?
Es braucht einen vernünftigen sozialen Ausgleich. Und es kommt ja über den CO2-Preis automatisch mehr Geld rein, je weniger man auf der ordnungsrechtlichen Seite macht. Je weniger Emissionen reduziert werden, desto knapper werden die Emissionsrechte und desto höher werden die Preise sein. Und desto wichtiger ist, dass daraus keine soziale Schieflage entsteht.
Auch bei den CO2-Handelsmechanismen nach Artikel 6 des Pariser Abkommens gibt es Bedenken. Warum steht das im Koalitionsvertrag?
Es hat Eingang gefunden, weil es dringend gewollt war. Und ich finde, das kann man auch machen. Ich habe sehr lange international verhandelt, dass diese Regeln für den Kohlenstoffmarkt integer sind. Deshalb haben wir das Thema damals in Madrid bei COP25 platzen lassen, weil zu viele Schlupflöcher eingebaut waren. Erst in Baku bei der COP29 war dann auch das Kleingedruckte vom Kleingedruckten so vereinbart, dass das ein integrer Mechanismus ist. Man muss immer noch darauf achten, dass damit kein Schindluder getrieben wird, aber das ist jetzt beherrschbar. Ich glaube an den Mechanismus. Aber man muss auch wissen: Wenn er uns beim Ziel für 2040 Erleichterung verschafft, macht er dann den Weg von 2040 bis 2050 umso steiler. Denn dann muss auch die EU in ihren Grenzen klimaneutral sein.
Sie sagen, der Artikel 6-Mechanismus ist integer. Aber vor knapp 20 Jahren ist der Vorgänger, der Clean Development Mechanism (CDM) an dieser Frage gescheitert.
Ja, auch deshalb, weil Buchungstricks mit "heißer Luft" möglich waren en. Diese Erfahrungen sind in den Regeln von Artikel 6 verarbeitet. Diese Projekte müssen natürlich genau überwacht werden, das haben wir ja gerade wieder bei den umstrittenen UER-Zertifikaten gesehen. Das Wichtigste ist, dass es keine doppelte Anrechnung der Reduktionen gibt, das haben wir über die Register und Überwachungsmechanismen mit aller Kraft sichergestellt. Und natürlich sind das Hebel für Klimaschutzmaßnahmen in den Partnerländern. Ob es dann 2040 billiger ist, diese Zertifikate zu kaufen, anstatt zu Hause Klimaschutz zu machen, ist eine andere Frage. Das hängt daran, wie schnell sich die Erneuerbaren durchsetzen und wie schnell die Industrie dekarbonisiert wird
Die große Frage in diesem Jahr auf dem Weg zur COP wird wieder mal das Geld sein. Wo sehen Sie Ansätze für einen glaubhaften Fahrplan zu den 300 Milliarden Dollar bis 2035 an öffentlichen Hilfen, die in Baku beschlossen wurden – vor allem jetzt, wo die USA raus sind?
Darauf habe ich noch keine Antwort. Es wird viele Gespräche auch mit anderen Staaten geben und die Brasilianer bemühen sich sehr. Wir müssen das in den nächsten Jahren lösen, auch damit Vertrauen in den Prozess bleibt. Wir werden vermutlich dafür ein bisschen Zeit brauchen, denn die öffentlichen Haushalte müssen in vielen Ländern konsolidiert werden. Und es gibt gleichzeitig einen Rückzug aus internationaler Solidarität und Verantwortung, auch bei engen Freunden. Ich habe ja schon vorher daran gearbeitet, internationale Klimafinanzierung nach vorn zu bringen. Die eigentlich wichtigere Zahl ist ja die Gesamtinvestition von 1,3 Billionen Dollar, die bis 2035 aufgebracht werden müssen. Da brauchen wir Innovationen im Finanzbereich, und da ist etwa der brasilianische Vorschlag mit dem Waldfonds TFFF ein sehr interessantes Beispiel. Das ist ein kluger Ansatz, wie man mit öffentlichem Geld wirklich in Größen und Ordnungen privates Kapital hebeln kann. Da gibt es noch viele offene Fragen. Aber ich hoffe, dass wir in Belem darüber eine politische Einigung hinbekommen.
Das Gespräch führten Lukas Knigge, Bernhard Pötter, Malte Kreutzfeldt.
© Table.Briefings/Climate Table