Artenschutz in Landwirtschaft, Bauleitplanung und im Genehmigungsverfahren
Landwirtschaft und Artenschutz
Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten finden in landwirtschaftlich genutzten Flächen zumindest partiell einen bedarfsgerechten Lebensraum. So sind landwirtschaftlich genutzte Gebiete solche, in denen auch streng geschützte Arten im Sinne des Artenschutzes vorkommen, wie zum Beispiel der Feldhamster (Cricetus cricetus), die Wildkatze (Felis silvestris) oder die Würfelnatter (Natrix tessellata). Bei der Durchführung der Bewirtschaftungsmaßnahmen ist daher besondere Rücksichtnahme auf die Lebensraumansprüche dieser Arten erforderlich.
Das Artenschutzrecht mit seinen Zugriffsverboten ist grundsätzlich auch im Rahmen der Landwirtschaft einschlägig. Allerdings bestehen gewisse Erleichterungen. Für alle geschützten Arten hat der Landwirt sicherzustellen, dass die landwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Abs. 2 bis 4 des BNatSchG genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Abs. 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis entsprechen. Für europäische Vogelarten und für streng geschützte Tier- und Pflanzenarten der FFH-Richtlinie darf sich darüber hinaus der Erhaltungszustand der lokalen Population dieser Arten durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtern.
Ein Grünlandumbruchverbot gibt es bereits in einigen Bundesländern. Hierdurch soll verhindert werden, dass wertvolle Wiesen und Weiden in Ackerland umgewandelt werden. Es trägt außerdem der europarechtlichen Regelung Rechnung, die die Mitgliedstaaten anhält, einen übermäßigen Umbruch von Grünland zu unterbinden. Diese Verpflichtung setzt allerdings erst ein, wenn der Grünlandanteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche um fünf Prozent im Landesdurchschnitt abgenommen hat. Die Gründe für diese europarechtliche Regelung liegen vor allem im Bereich des Klimaschutzes. Das Grünlandumbruchverbot wirkt sich jedoch auch positiv auf den Artenschutz aus. Der hohe Bewuchs des Grünlandes bietet einen attraktiven Rückzugsraum für Nager, Bodenbrüter und diverse wildlebende Pflanzen. Die Erhaltung des Grünlands dient demzufolge dem Erhalt besonders geschützter und streng geschützter Arten.
Bauleitplanung und Artenschutz
Auch die Bauleitplanung hat einen wichtigen Einfluss auf den Artenschutz. Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die Bodennutzung und die städtebauliche Entwicklung einer Gemeinde planerisch zu steuern und sinnvoll zu gestalten. Bei der Bauleitplanung ist zwischen zwei Instrumenten zu unterscheiden: dem Flächennutzungsplan und dem Bebauungsplan.
Der Flächennutzungsplan wird für das gesamte Gemeindegebiet aufgestellt. Darin wird die Art der Bodennutzung nach den Bedürfnissen der jeweiligen Gemeinde in Grundzügen dargestellt, zum Beispiel Flächen für Bebauung, Autobahnen und Bundesstraßen, Grün-, Sport- oder Parkanlagen sowie Naturschutzflächen. Vor Aufstellung des Flächennutzungsplans wird eine Umweltprüfung durchgeführt, bei der unter anderem die im Plangebiet betroffenen Tier- und Pflanzenarten erfasst und ihr Schutz im Hinblick auf die nachfolgende Ebene der Bebauungspläne berücksichtigt wird. Dadurch sollen so früh wie möglich die Umweltauswirkungen bestimmter Vorhaben geprüft und schon in die Planung mit einbezogen werden.
Aus dem Flächennutzungsplan wird der Bebauungsplan entwickelt. Dieser wird durch die Gemeinde für einzelne Teile des Gemeindegebietes aufgestellt. Er regelt die Art und Weise der möglichen Bebauung von Grundstücken sowie die Nutzung von Grundstücken, welche unbebaut bleiben müssen.
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans finden die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG konkrete Berücksichtigung. Zwar verstößt die Aufstellung eines Bebauungsplanes selbst noch nicht gegen eines der Verbote, weil dies nur durch konkrete Handlungen möglich ist (zum Beispiel Verfüllen eines von Amphibien bewohnten Tümpels). Ein Bebauungsplan, der nur unter Verletzung artenschutzrechtlicher Vorschriften vollzogen werden kann, ist aber nichtig. Daher ist der Artenschutz bei der planerischen Abwägung der Gemeinde im Rahmen der Planaufstellung zu berücksichtigen.
Um alle betroffenen Arten erfassen zu können und sie ihrer Bedrohung entsprechend zu berücksichtigen, wird eine Artenschutzprüfung durchgeführt. Dabei wird Art für Art der jeweilige Konflikt mit der voraussichtlichen Bebauung und mögliche Vermeidungsmaßnahmen geprüft. Wird beispielsweise das Vorkommen des Steinkauzes in einem Gebiet festgestellt durch das eine Straße gebaut werden soll, werden zunächst alternative Routen für die Straßenführung in Erwägung gezogen. Ist eine zumutbare Alternative nicht gegeben, werden Vermeidungsmaßnahmen wie eine längsseitige Bepflanzung der Straße geprüft, um die Gefahr von Kollisionen des Steinkauzes mit Fahrzeugen zu verringern. Sind Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbote nicht zu vermeiden, wird schon bei der Bebauungsplanung überprüft, ob für die spätere Bebauung Ausnahmen zugelassen werden können.
Genehmigungsverfahren und Artenschutz
Eine zentrale Bedeutung kommt dem Artenschutz im Rahmen von Genehmigungsverfahren zu. Das Zulassungsverfahren des jeweiligen Vorhabens richtet sich nach dem einschlägigen Fachrecht und den darin vorgesehenen Verfahren.
Im Rahmen eines jeden Genehmigungsverfahrens prüft die Behörde, ob öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben entgegenstehen. Zu diesen Vorschriften zählen auch die artenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Behörde hat insbesondere zu prüfen, ob das Vorhaben gegen die artenschutzrechtlichen Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstößt. Danach ist es verboten, wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten, in ihrer Entwicklung erheblich zu stören oder Fortpflanzungs- und Ruhestätten aus der Natur zu entnehmen. Diese artenschutzrechtlichen Verbote sind stets zu beachten. Liegt ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG vor, ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erteilt werden kann. Eine Ausnahme kann jedoch nur zugelassen werden, wenn ein Ausnahmegrund vorliegt, zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert.
Auch bei Abriss- und Sanierungsvorhaben von (leerstehenden) Gebäuden ist das Artenschutzrecht (§ 44 BNatSchG) zu beachten. Im Vorfeld der Maßnahme ist abzuklären, ob betroffene Gebäudeteile als Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tierarten oder europäischer Vogelarten genutzt werden. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass ein Dach- und Mauervorsprung, Dachgeschoss und Dacheindeckung, Fensterläden, Rollladenkästen oder Keller als Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten für Vögel, Fledermäuse, Insekten oder andere Tierarten dienen. Aus dem Verbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG folgt auch, dass dauerhafte Lebensstätten das ganze Jahr über zu schützen sind, während einmalige Niststätten nach der Fortpflanzungsperiode entfernt werden dürfen. Stellt sich heraus, dass geschützte Arten von dem Abriss oder der Sanierung betroffen sind, besteht die Verpflichtung, geeignete Maßnahmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde abzustimmen. Kann eine Beeinträchtigung trotz Maßnahmen nicht vermieden werden, kommt nur noch eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG in Betracht, welche nur in engen Grenzen möglich ist.