Rede von Bundesumweltministerin Steffi Lemke bei der Ostseeparlamentarierkonferenz

28.08.2023
Bundesministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hob in ihrer Rede bei der Ostseeparlamentarierkonferenz hervor, dass es allen Hindernissen zum Trotz beim internationalen Schutz der Ostsee vorangeht – so auch beim UN-Hochseeabkommen (BBNJ).

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident Schraps,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

beim Schutz mariner Ökosysteme liegt ein Jahr mit vielen Höhen, aber auch einigen Tiefen hinter uns. Die internationalen Verhandlungen wurden und werden vor allem von der geopolitischen Situation, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, massiv belastet.

In der Ostseeregion sind die Konsequenzen deutlich sichtbar, auch beim Thema Meeresschutz. So leidet zum Beispiel die Zusammenarbeit in der Helsinki-Kommission unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Die demokratischen Anrainerstaaten sind jedoch sehr darum bemüht, die fachliche Kooperation zur Verbesserung des Ostseeschutzes weiter voranzubringen. Das gilt insbesondere für den Implementierungsprozess des neuen HELCOM-Ostseeaktionsplans 2030, der im Oktober 2021 unter deutschem Vorsitz beschlossen worden ist.

Es geht also weiter voran. Allen Hindernissen zum Trotz.

Das wird auch durch die Beantwortung des jährlichen Fragenkatalogs zur Umsetzung der BSPC-Resolution deutlich, die sich beim Ostseeschutz auf den neuen Ostseeaktionsplan bezieht.

Ich möchte die Jahrestagung der Ostseeparlamentarierinnen und -parlamentarier nutzen, den Blick zu weiten und über die wesentlichen Entwicklungen im internationalen Meeresschutz in den letzten 12 Monaten zu berichten. In dieser Zeit konnten wir mehrere wegweisende Erfolge und Fortschritte erzielen.

Im internationalen Meeresschutz vollzieht sich seit etwa Mitte des vergangenen Jahres ein echter Paradigmenwechsel. Zunächst hatten sich eine kleine Zahl von Pazifikstaaten und auch Costa Rica, Spanien und Neuseeland kritisch gegenüber dem Beginn des kommerziellen Tiefseebergbaus geäußert. Im Oktober verkündete dann Deutschland – als erster der grundsätzlich bergbauinteressierten Staaten – bei der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA eine precautionary pause.

Deutschland hält zwei Verträge zur Exploration von Tiefseeressourcen in internationalen Gewässern und galt bis zu diesem Zeitpunkt als Pionier, als pioneer investor. Aufgrund des eklatanten Wissensmangels über die Ökosysteme der Tiefsee und der damit verbundenen unkalkulierbaren Risiken einer solchen Nutzung unterstützt die Bundesregierung nun vorerst keine Bergbauvorhaben. Inzwischen haben sich 21 Staaten zu einer solchen precautionary pause oder einem Moratorium bekannt. Unser gemeinsames Ziel ist es, die dadurch gewonnene Zeit zu nutzen, um die wissenschaftliche Kenntnislage deutlich zu verbessern und im internationalen Mining Code strenge Umweltstandards zu verankern.

Auf der gerade zu Ende gegangenen Sitzung konnte immerhin ein Konsens darüber erzielt werden, dass der kommerzielle Tiefseebergbau nicht beginnen sollte, solange es keine wirksamen Abbauregularien gibt.

Ein weiterer großer Erfolg ist der Abschluss des UN-Hochseeabkommens, kurz BBNJ!

Wir hatten bereits bei der Verhandlungsrunde im August 2022 zum BBNJ-Abkommen auf einen erfolgreichen Abschluss des mehr als 10 Jahre dauernden Verhandlungsprozesses gehofft. Aber leider konnte sich die Weltgemeinschaft damals auf den letzten Metern doch noch nicht abschließend einigen.

Im März dieses Jahres gelang jedoch der Durchbruch. Mit den inzwischen historischen Worten: "The ship has reached the shore!" konnte Rena Lee als Vorsitzende der Intergovernmental Conference den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen verkünden. Im Juni wurde das Abkommen durch die Staatengemeinschaft im Konsens angenommen. Als nun zuständige Ministerin freue ich mich, dass Ende September die feierliche Unterzeichnungszeremonie für das Abkommen in New York stattfinden wird. Das wird für uns alle sicher ein ganz besonderer Moment sein, für den wir lange und hart gearbeitet haben.

Deutschland und die Europäische Union werden sich für eine schnelle Ratifizierung des Abkommens einsetzen. Unser Ziel ist es, dass das BBNJ-Übereinkommen bis zur UN Ozean-Konferenz in Nizza 2025 in Kraft treten kann. Dafür muss es von 60 Staaten ratifiziert werden.

Dieser ambitionierte Zeitplan ist auch für die Umsetzung des neuen Globalen Rahmens für die biologische Vielfalt von Bedeutung. Bei der letzten CBD-COP hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, bis 2030 30 Prozent der globalen Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Dafür müssen wir auch Schutzgebiete auf der Hohen See ausweisen. Das BBNJ-Abkommen ist hierfür ein wichtiges Umsetzungsinstrument.

Last but not least möchte ich die Fortschritte für ein rechtlich verbindliches UN-Abkommens gegen Plastik in der Umwelt ansprechen, das gerade auch den Meeren helfen wird.

Trotz anfänglicher Verfahrensschwierigkeiten hat der internationale Verhandlungsprozess inzwischen inhaltlich Fahrt aufgenommen. Das prioritäre Ziel für die im November in Nairobi anstehende dritte Verhandlungsrunde lautet: Vermeidung von Abfällen. Ich bin überzeugt, dass wir die Probleme weder durch Verbote und Einschränkungen von einzelnen Produkten, noch durch reines Abfallmanagement in den Griff bekommen werden. Wir können uns aus der Plastikkrise auch nicht 'herausrecyceln'. Die Lösungen liegen vielmehr in einer Reduzierung der Produktion von Plastik, wie zum Beispiel von unnötigen, vermeidbaren und problematischen Produkten oder "Überverpackungen". Außerdem brauchen wir Zirkularität, also möglichst geschlossene, nicht toxische Stoffkreisläufe, eine Verlängerung der Produktlebensdauer und bessere Reparierbarkeit.

Mit Blick auf die internationalen Prozesse möchte ich einen Aspekt ergänzen, der vielleicht nicht ‚reine‘ Meeresschutzpolitik ist, aber sehr eng mit ihr verknüpft ist: Die internationale Klimapolitik. Es gibt viele Wechselwirkungen zwischen Klima und Meeren. Deshalb hilft jeder Fortschritt in einem Bereich immer auch dem anderen. Meeresschutz ist Klimaschutz und umgekehrt.

Die letzte Klima-COP in Sharm El Sheikh ist bekanntlich deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ein Kollege vor Ort hat es aber sehr treffend formuliert: The ocean was in the room!

Da Sie als Ostseeparlamentarier naturgemäß ganz besonders auf die Ostsee schauen, habe ich mir ein wichtiges Thema mit Ostseebezug bis zum Schluss aufgehoben: Am 17. Februar 2023 hatten wir in Berlin die Kick Off-Veranstaltung zur Umsetzung des Sofortprogramms Munition.Frau Abgeordnete Kassautzki war im Februar mit dabei.

Die Bundesregierung stellt bis einschließlich 2025 100 Millionen Euro zur Verfügung, um exemplarisch die Bergung und Vernichtung von konventioneller Altmunition aus der Ostsee durchzuführen.

Der notwendige Aufwand im Haushalts- und Vergaberecht ist enorm. Außerdem ist die fachliche Verknüpfung einer Vielzahl von Disziplinen und Akteuren sehr anspruchsvoll. Trotzdem gehen wir weiter davon aus, dass spätestens Anfang 2024 mit dem Bau einer mobilen schwimmenden Entsorgungsanlage und spätestens Anfang 2025 mit der pilothaften Bergung aus den deutschen Gewässern der Ostsee begonnen werden kann.

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Kommissar Sinkevicius dieses Thema in den Mittelpunkt der Ostsee-Ministerkonferenz in Palanga (Litauen) im September stellen wird. Es ist von großer Bedeutung, dass er bei dieser Gelegenheit die von der EU vorgesehene Unterstützung für die ostseeweiten Maßnahmen vorstellt.

Wie alle Meeresthemen werden wir auch das Thema Munitionsbergung nur dann erfolgreich lösen, wenn alle fachlich Betroffenen und alle verantwortlichen politischen Kräfte an einem Strang ziehen. Deshalb schließe ich mit einem Wunsch an Sie als Ostseeparlamentarierinnen und -parlamentarier: Bitte unterstützen Sie auch zukünftig aus den Parlamenten der Anliegerstaaten heraus unsere ganz praktischen Maßnahmen, damit wir gemeinsam zumindest die 'Ostsee-Welt' ein kleines bisschen besser machen. Sie ist auf unser Engagement dringend angewiesen.

Vielen Dank!

28.08.2023 | Rede Meeresschutz
https://www.bmuv.de/RE10719
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