Keynote von Dr. Christiane Rohleder bei der Eröffnung der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz

09.11.2022
Staatssekretärin Dr. Christiane Rohleder hält eine Keynote zur Eröffnung der KI-Ideenwerkstatt.
Staatssekretärin Dr. Christiane Rohleder hat bei der Eröffnung der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz eine Rede gehalten und ging auf die Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz ein.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herzlich willkommen an Sie alle!

Ich freue mich sehr, Sie heute zur Eröffnung der KI-Ideenwerkstatt für Umweltschutz zu begrüßen.

Wie für eine Werkstatt üblich, müssen wir heute direkt etwas improvisieren. Um die Enttäuschung gleich vorweg zu nehmen: Die eigentliche KI-Ideenwerkstatt werden Sie heute aufgrund eines Wasserschadens nach Starkregen noch nicht besichtigen können. Das bedauern wir. Es ist allerdings auch ein Grund mehr für Sie, zeitnah wieder zu kommen.

Die gute Nachricht ist, dass die Teambüros nicht betroffen sind und die Expertinnen und Experten aus der Werkstatt ab heute und jetzt zur Unterstützung bereitstehen. Um Ihnen einige Einblicke in die Arbeitsweise der KI-Ideenwerkstatt zu geben und ganz praktisch zu zeigen, wie zivilgesellschaftliche KI-Projekte für den Umweltschutz aussehen, haben wir verschiedene Stationen in den anliegenden Räumen aufgebaut.

Ich konnte diese gerade schon kurz besichtigen und muss sagen, dass ich schon allein deshalb froh bin, hier sein zu können. Vor allem nutze ich zwei der ausgestellten Tools in meiner Freizeit selbst und es ist toll zu sehen, welche Menschen hinter den Projekten stecken. Es ist beeindruckend zu sehen, was engagierte Umweltschützerinnen und Umweltschützer und Technik-Enthusiasten gemeinsam auf die Beine stellen – und dies aus intrinsischer Motivation. Diese Begeisterung für die gute Sache steckt an.

Die große Transformation, die uns als Gesellschaft gelingen muss, besteht aus vielen einzelnen Puzzlestücken. Wir müssen bei allem einen Blick darauf haben, was wir hier und heute anstoßen können. Die KI-Ideenwerkstatt soll dafür einen Raum bieten. Hier wollen wir hemdsärmelig loslegen und der Zivilgesellschaft einen Raum geben, um weitere Puzzlestücke zu der erforderlichen großen Transformation zu entwickeln.

In Deutschland haben wir das große Glück einer sehr aktiven und gut organisierten Zivilgesellschaft, die maßgeblich zum Umweltschutz beiträgt. Sei es bei der Pflege von Schutzgebieten, der Aufdeckung von Umweltverbrechen, dem Schutz bedrohter Arten oder der Umweltbildung und der Sensibilisierung für den Wert der Natur – überall leisten zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure sehr wertvolle Arbeit für das Gemeinwohl.

Viele dieser Aktivitäten können durch digitale Werkzeuge und Künstliche Intelligenz erleichtert und ausgeweitet werden. In Wissenschaft und Wirtschaft beobachten wir bereits, wie Big Data und KI bedeutend zur Vereinfachung von Abläufen, zur Einsparung von Ressourcen und zur Schonung der Natur beisteuern. Auch der Zivilgesellschaft können diese digitalen Werkzeuge eine große Hilfe sein.

Um es konkret zu machen: Zum Beispiel kann eine bislang mühsame händische Datenerfassung durch die automatisierte Bestimmung von Tier- und Pflanzenarten mittels KI maßgeblich beschleunigt werden. Pflanzenarten per App statt mit Bestimmungsbuch zu identifizieren geht nicht nur schneller, es macht vielen Laien auch mehr Spaß – die Erfolgserlebnisse sind nur wenige Klicks entfernt und die Artenkenntnis wächst mit jedem Eintrag im digitalen Logbuch.

Mittels KI kann man Umweltschutzaktivitäten außerdem zielgerichteter planen. Zum Beispiel kann so der Gesundheitszustand und der Trockenstress von Stadtbäumen großräumig überwacht werden. Auf dieser Basis kann man gemeinschaftlich dort Bäume bewässern, wo es am nötigsten ist.

Wieder andere Aktionen werden durch digitale Technologien erst ermöglicht, beispielsweise das Aufspüren illegaler Fischerbote über Satellitenbilder oder das Warnen von Schiffen vor Kollisionen mit Walen mittels intelligenter Bojen. Und eines ist sicher: wir stehen hier erst ganz am Anfang.

Doch wir beobachten auch den gegenläufigen Trend. Digitale Technologien und KI werden ebenso dafür eingesetzt, umweltschädliche Praktiken noch einfacher und profitabler zu machen. Der WBGU stellte in seinem Hauptgutachten zu "unserer gemeinsamen digitalen Zukunft" fest, dass die Digitalisierung aktuell eher als Brandbeschleuniger statt als Chancentreiber einer Nachhaltigkeitswende wirkt. Ein guter Grund, dem Hype um KI kritisch gegenüber zu stehen und die Potentiale von KI aktiver in die Bahnen einer umweltgerechten Digitalisierung zu steuern.

Wir möchten in der Ideenwerkstatt vielschichtige Debatten um KI anstoßen, um KI in allen Grautönen zu betrachten. Es soll Raum für die Anerkennung der Chancen von KI geben; denn KI ist in manchen Einsatzgebieten anderen Technologien klar überlegen.

Doch dabei sollen keine überhöhten Erwartungen an die Technologie geschürt werden. Es werden ebenso die Herausforderungen in der Umsetzung von Daten- und KI-Projekten, die ökologischen Schattenseiten und Risiken von KI in den Blick genommen.

KI-Systeme sind datenabhängig, in der Regel komplex und können undurchsichtig, fehleranfällig und oft auch energieintensiv sein. Die Tech-Industrie verfolgt zudem oft nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle auf Kosten von Umwelt und Gesellschaft. Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen? Wie sehen die Alternativen konkret aus, also gemeinwohlorientierte und umweltgerechte KI-Anwendungen? Wie gestaltet man sie?

In diesem Sinne ist die KI-Ideenwerkstatt ein Raum für kontroverse Debatten. Dabei ist mir wichtig, dass es nicht beim Reden allein bleibt, wir müssen ins Handeln kommen. In der Ideenwerkstatt können Sie digitale Tools und KI direkt vor Ort ausprobieren und weiterentwickeln. Ziel ist es, KI-Anwendungen zu schaffen, die ökologischen Herausforderungen begegnen. Das ist doppelt gut: Es hilft uns, KI besser zu verstehen und es nützt dem Umweltschutz.

Wir sagen oft: Die Digitalisierung ist eine Gestaltungsaufgabe. Doch wer gestaltet hier wie?

Am meisten tun es sicher die Entwicklungsabteilungen der Tech-Konzerne. Hierbei geht es häufig vor allem um Gewinnmaximierung, oft auch durch Ausbeutung der persönlichen Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Diese Konzerne zur Wahrung von Grundrechten zu verpflichten, daran arbeitet die Politik im Augenblick intensiv, zum Beispiel mit dem Digital Services Act oder der KI-Verordnung der EU.

Doch an der Gestaltungsaufgabe, die Digitalisierung auf eine nachhaltige Bahn zu lenken, muss auch die Zivilgesellschaft beteiligt werden. damit sie sich in den Diskurs einmischt und zeigt, wie eine nachhaltige Digitalisierung aus ihrer Sicht aussehen kann. Hier sehen wir strukturelle Defizite, die es zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren schwermachen, genau dies zu tun.

An dieser Stelle setzt die ressortübergreifende Initiative Civic Coding an. Wir haben uns im letzten Jahr mit dem BMAS, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem BMFSFJ, dem Bundesministerium für Gesellschaftspolitik, zusammengetan und gemeinsam "Civic Coding" ins Leben gerufen, das "Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl". Unter diesem Dach bündeln wir unsere Maßnahmen ressortübergreifend und führen Projekte und Communities zusammen.

Unser gemeinsames Ziel ist es, gesellschaftliche KI-Kompetenzen zu stärken und eine nachhaltige, soziale und partizipative Technikgestaltung zu fördern. Die vom BMUV geförderte KI-Ideenwerkstatt ist Bestandteil dieses derzeit entstehenden Innovationsnetzwerks für gemeinwohlorientierte KI.

Um die KI-Entwicklung umweltpolitisch zu gestalten, hat unser Ministerium im letzten Jahr das Fünf-Punkte-Programm "KI für Umwelt- und Klimaschutz" vorlegt. Dieses Programm bündelt unsere zentralen operativen Maßnahmen für verschiedene Zielgruppen.

  • Es umfasst beispielsweise die Förderinitiative "KI-Leuchttürme", die bereits über 35 Projekte angestoßen hat, um zukunftsweisende KI-Anwendungen für den Umweltschutz zu entwickeln.
  • Ein weiterer Bestandteil ist das "Anwendungslabor KI und Big Data" am Umweltbundesamt, das KI-Anwendungen für die Umweltverwaltung entwickeln und betreiben wird.
  • In diesem Portfolio nehmen Civic Coding und die KI-Ideenwerkstatt, mit ihrer klaren Ausrichtung auf die Zivilgesellschaft, eine zentrale Rolle ein.

Wir haben in den letzten Monaten viele Gespräche mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren geführt, um ihre Wünsche und Bedarfe besser zu verstehen und in die Aufbauarbeit mitzunehmen. Zuletzt erst vor vier Wochen auf der großen "Bits & Bäume"-Konferenz mit über 2000 Teilnehmenden.

In der KI-Ideenwerkstatt wollen wir die Angebote der Werkstatt auf die spezifischen Bedarfe von Ihnen, von der Zivilgesellschaft, ausrichten. Das fängt an bei niedrigschwelligen Unterstützungsangeboten und geht über Veranstaltungszeiten an Abenden und Wochenenden und die Erstattung von Reisekosten bei langen Anfahrten bis hin zur Bereitstellung einer nachhaltigen Cloud-Infrastruktur für Projekte.

Ich möchte Sie herzlich einladen, sich weiter tatkräftig in die Ideenwerkstatt einzubringen, ihre Angebote mitzugestalten und sie für Ihre Umweltschutzideen zu nutzen. In der Ideenwerkstatt erwartet Sie ein kundiges Team aus KI-Expertinnen und -Experten, Umweltspezialistinnen und Umweltspezialisten und Makerinnen und Maker, das immer ein offenes Ohr für Ihre Anregungen und Vorschläge hat.

Also - Was wollten Sie schon immer mal über KI erfahren, welche Kompetenzen möchten Sie erwerben, welche Ideen für den Umweltschutz möchten Sie realisieren? Die KI-Ideenwerkstatt lebt von Ihren Antworten auf diese Fragen.

In diesem Sinne freue ich mich, Ihnen mit der KI-Ideenwerkstatt einen offenen Ort des Dialoges anzubieten.

09.11.2022 | Rede Digitalisierung

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