Internationale Umweltministerkonferenz "Biodiversität und Tourismus" in Berlin eröffnet

06.03.1997
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: 8/97
Thema: Naturschutz
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Leitung: Angela Merkel
Amtszeit: 17.11.1994 - 27.10.1998
13. Wahlperiode: 17.11.1994 - 27.10.1998
Merkel: Globale Initiative zur Förderung einer nachhaltigen Tourismusentwicklung notwendig - Wachstum der Reisebranche und Erhalt der biologischen Vielfalt sind weltweit in Einklang zu bringen

Merkel: Globale Initiative zur Förderung einer nachhaltigen Tourismusentwicklung notwendig - Wachstum der Reisebranche und Erhalt der biologischen Vielfalt sind weltweit in Einklang zu bringen

"Als eines der Länder mit dem größten Anteil am internationalen Tourismus steht die Bundesrepublik Deutschland in einer besonderen Verantwortung für die Folgen der wachsenden Reisetätigkeit, die bislang mit einer steigenden Inanspruchnahme wertvoller Naturräume einhergeht. Deshalb habe ich die Internationale Umweltministerkonferenz "Biodiversität und Tourismus" initiiert, weil eine globale Initiative zur Förderung einer nachhaltigen, das heißt umwelt- und sozialverträglichen Tourismusentwicklung notwendig ist. Von dieser Konferenz erwarte ich, daß Grundlagen für weitere internationale Absprachen, zum Beispiel im Rahmen der 1992 in Rio verabschiedeten Konvention zur biologischen Vielfalt, erörtert und Leitlinien erarbeitet werden, die es gestatten, das Wachstum der Tourismusbranche mit dem Erhalt der Vielfalt an Natur- und Lebensräumen sowie von Tier- und Pflanzenarten in Einklang zu bringen. Die Konferenz soll der Reisebranche signalisieren, selbst aktiv an diesem Prozeß mitzuwirken, um ihr langfristiges Kapital Natur und Landschaft dauerhaft zu erhalten." Dies erklärte Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel heute anläßlich der Eröffnung der Internationalen Umweltministerkonferenz "Biodiversität und Tourismus" in Berlin.

Zu dieser dreitägigen Konferenz, die am Eröffnungstag der Internationalen Tourismusbörse am 8. März endet, werden insgesamt rund 75 Vertreter aus 23 Ländern Europas, Afrikas, Nord- und Südamerikas sowie aus Asien und Übersee sowie von 11 internationalen und nationalen Organisationen erwartet (siehe Anlage). Darunter befinden sich vor allem solche Länder, die für den internationalen Tourismus eine große Bedeutung haben, über eine besondere Artenvielfalt verfügen und die Vertragsstaaten der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt sind.

Die Konferenz verfolgt im wesentlichen zwei Ziele: Erstens sollen Anforderungen an einen umweltverträglichen Tourismus im Sinne des durch die Rio-Konferenz 1992 geprägten Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung formuliert werden. Ökologisch negative Auswirkungen des Tourismus sind durch bessere Koordination und vorsorgende Planung, umweltverträgliche Verkehrskonzepte, die Nutzung umweltverträglicher Technologien der Ver- und Entsorgung sowie sorgfältige Lenkung von Aktivitäten in empfindlichen Gebieten zu vermindern und langfristig zu vermeiden.

Zweitens soll nachhaltiger Tourismus stärker der Erhaltung von Natur, Landschaft und Kultur dienen. Er soll einen Beitrag dazu leisten, die biologische Vielfalt zu erhalten und die nachhaltige Entwicklung in den Tourismusländern voranzubringen, indem die Erfordernisse des Natur-, Landschafts- und Umweltschutzes sowie die Bewahrung der kulturellen Identität und der Interessen der einheimischen Bevölkerung verstärkt berücksichtigt werden.

Einen Schwerpunkt bilden Anforderungen an einen nachhaltigen Tourismus in ökologisch sensiblen Gebietstypen. Denn in zunehmendem Maße werden Ökosysteme, die für den Erhalt der biologischen Vielfalt besonders wertvoll sind, wie Küsten, kleine Inseln, Korallenriffe, Dünen, aber auch Hochgebirge, Waldgebiete und Süßwasser-Ökosysteme, durch touristische Nutzung beansprucht.

In einer angestrebten "Berliner Erklärung" sollen die Konferenzteilnehmer ausgehend von der Analyse der gegenwärtigen Situation Prinzipien für einen nachhaltigen Tourismus formulieren. Diese Erklärung soll sich insbesondere an die Regierungen in allen Ländern wenden, aber auch alle Akteure, z. B. der Wirtschaft und der Umweltorganisationen, einbeziehen. Sie ist als eine politische Deklaration gedacht, die ein Baustein für eine noch zu schaffende völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zum nachhaltigen Tourismus, z. B. im Rahmen der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt, werden kann.

Das tourismusspezifische umweltpolitische Instrumentarium ist national wie international noch relativ schwach entwickelt. In den Rio-Dokumenten Klimarahmenkonvention, Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt und Agenda 21 wird der Tourismus nur punktuell thematisiert. Gute Ansätze gibt es bereits in der Alpenkonvention von 1991, die auch durch ein spezifisches "Tourismus-Protokoll" umgesetzt werden soll, aber auch im Umweltschutzprotokoll zum Antarktis-Vertrag, das für touristische Aktivitäten in der ökologisch sehr empfindlichen Region strenge Umweltauflagen vorschreibt. Darüber hinaus haben sich zur "Ökologisierung" der Tourismusbranche auch marktwirtschaftliche und freiwillige Instrumente wie die Förderung der Umweltinformation, Umweltaufklärung und -beratung, die Entwicklung ökologischer Kriterien und Leitfäden sowie Wettbewerbe als geeignet erwiesen. Beispiele dafür werden am zweiten Konferenztag während des "Forums für Gespräche mit der Praxis" präsentiert.

Wieviel Natur bleibt den Küsten?

Vor dem Hintergrund wachsender Konflikte zwischen der Erhaltung der Biodiversität und der internationalen Tourismusentwicklung hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) eine Studie "Biodiversität und Tourismus - Konflikte und Lösungsansätze an den Küsten der Weltmeere" durchgeführt, deren Ergebnisse Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel heute vorgelegt wurden. Anhand von zahlreichen Fallbeispielen, wie der französischen und spanischen Mittelmeerküste, der türkischen Südküste, der irischen Westküste sowie der deutschen Ostsee- und Nordseeküste, analysiert die Studie die wichtigsten Umweltauswirkungen des Tourismus, zeigt aber auch Lösungsansätze auf, die sich zum Ausgleich zwischen Naturschutzerfordernissen und der Tourismusentwicklung anbieten. Deutlich wird, daß insbesondere im Mittelmeerraum, der international das wichtigste Ziel des Tourismus darstellt (35 Prozent aller internationalen Touristen), die bisher eingetretenen Verluste natürlicher Lebensräume dramatisch sind.

Ergebnisse der Studie sind u. a.:

  • Zwischen 1900 und 1990 hat Europa 43 Prozent seiner Küsten-Dünen verloren, wobei Italien mit 80 Prozent am stärksten betroffen ist, gefolgt von Spanien und Frankreich mit je 75 Prozent.
  • Allein im nordwestlichen Mittelmeerraum sind bisher 2.200 Quadratkilometer für die Unterbringung der Touristen (Hotels, Ferienanlagen) in Anspruch genommen worden. Hinzu kommt auch die Fläche für die erforderliche Infrastruktur (insbesondere Verkehrswege). Es wird angenommen, daß sich der Flächenverbrauch dadurch auf 4.400 Quadratkilometer verdoppelt.
  • 50 Prozent der Hotels sind im direkten Küstenbereich des mediterranen Raumes angesiedelt. Eine Flächeninanspruchnahme von 2.200 Quadratkilometern entspricht einer dichtbesiedelten Küste von 1 Kilometer Tiefe und einer Länge von 2.200 Kilometern. Dies veranschaulicht die Dimension des Flächenverbrauchs an den Küsten.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Notwendigkeit, international harmonisierte Absprachen für einen nachhaltigen Tourismus zu erarbeiten. Dabei soll der Tourismus auch stärker als bisher in den Dienst der Erhaltung von Natur und Kultur der jeweiligen Zielländer gestellt werden. Denn durch Tourismus können z. B. Kulturlandschaften erhalten oder Schutzgebiete finanziert werden. Es werden auch zusätzlich bzw. alternative Einkommen für die einheimische Bevölkerung geschaffen, die es erlauben, auf ökologisch weniger nachhaltige Nutzungen zu verzichten. Tourismus kann so auch zur Erhaltung der biologischen Vielfalt weltweit beitragen."

Die Studie "Biodiversität und Tourismus", herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz, ist im Springer Verlag erschienen. ISBN 3-540-62393-0. Sie kann über den BfN-Schriftenvertrieb (Tel.:

02501/801-117; Fax: 02501/801-204) oder über den Buchhandel bezogen werden.

Umweltengagement der deutschen Tourismuswirtschaft

In den vergangenen Jahren ist in der deutschen Tourismuswirtschaft ein zunehmendes Engagement für ökologische Belange zu bemerken. Dazu einige Beispiele:

So hat der Deutsche Fremdenverkehrsverband (DFV) mit Unterstützung durch Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium im vergangenen Jahr einen "Bundeswettbewerb umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte" durchgeführt, der das hohe Niveau des Natur- und Umweltschutzes in den deutschen Fremdenverkehrsgemeinden bestätigt. Von den 120 Fremdenverkehrsstädten und -gemeinden, die sich an diesem Wettbewerb beteiligt hatten, konnten 27 Ferienorte im Februar 1997 mit Preisen ausgezeichnet werden. Dies zeigt, so Ministerin Merkel, daß gerade im Tourismus ökologische Qualität heute ein wichtiges Kriterium auch des wirtschaftlichen Erfolges ist.

Eine neue Umweltinitiative hat auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) gestartet: Anfang März 1997 wurde der neue Leitfaden "So führen Sie einen umweltorientierten Betrieb - Kosten senken durch Umweltschutz im Gastgewerbe" vorgelegt. Dieser neue Leitfaden ist eine Fortschreibung des "40-Punkte-Katalogs" für eine umweltorientierte Betriebsführung, der bereits seit 1992 im Rahmen von Wettbewerben der DEHOGA-Landesverbände mit großem Erfolg im Hotel- und Gastgewerbe eingesetzt wird. Der neue Leitfaden enthält neben den aktualisierten 40 Punkten auch eine Anleitung zur Ermittlung ökologischer Kennziffern. Die Betriebe können so ihre Einsparpotentiale in den Bereichen Abfall sowie Wasser- und Energieverbrauch in Mark und Pfennig berechnen. Dabei wird deutlich, daß betrieblicher Umweltschutz einen spürbaren Beitrag zur Verbesserung der Gewinnsituation der Betriebe leisten kann und Ökonomie und Ökologie sich auch im Gastgewerbe sinnvoll verbinden lassen.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Die Umweltinitiativen im deutschen Tourismus ergeben zunehmend auch Synergieeffekte. Die ökologisch vorbildliche Fremdenverkehrsgemeinde profitiert durch umweltorientiert geführte Gastbetriebe, und der regionale Einkauf bringt zum einen Umweltvorteile, z. B. durch Nutzung kurzer Transportwege, stärkt andererseits aber auch die regionale Landwirtschaft, Handwerk und Handel. Das verbessert das ökologische Profil der jeweiligen Urlaubsregion."

Bundesumweltministerin Merkel weist in diesem Zusammenhang auch auf die Chancen hin, die sich durch die Ausweitung des Anwendungsbereiches der EU-Umwelt-Audit-Verordnung auf den Dienstleistungssektor auch für den Tourismus ergeben. Sie begrüßt die Bereitschaft der deutschen Reisemittler und -veranstalter, in das freiwillige Öko-Audit einbezogen zu werden. Auch das Hotel- und Gastgewerbe sollte prüfen, wie es diese Chancen künftig nutzen kann.

Wichtige Anreize für Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes, insbesondere in den Zielgebieten, gehen auch von Umweltpreisen und dem Naturschutz-Sponsoring aus. Beispielhaft sind hier der Umweltpreis des Deutschen Reisebüro-Verbandes oder der "Umweltgroschen" der Europäischen Reiseversicherung zu nennen. Nachdem mit dem "Umweltgroschen" in den vergangenen Jahren Projekte zum Schutz der Nashörner in Tansania, der Wale vor der argentinischen Küste und des tropischen Regenwaldes in Costa Rica gefördert wurden, soll der Erlös dieser Aktion in diesem Jahr an den Nationalpark "Vorpommersche Boddenlandschaft" für den Bau eines Besucherinformationszentrums auf der Ostseeinsel Hiddensee gehen. Mit dieser Entscheidung soll auch ein Signal für den Schutz einer hochsensiblen Küstenlandschaft in Europa gegeben werden.

Bundesumweltministerin Dr. Angela Merkel: "Das Ziel einer nachhaltigen Tourismusentwicklung auf globaler Ebene kann nur in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, insbesondere auch dem privaten Sektor, erreicht werden. Die hier beispielhaft genannten Maßnahmen und Initiativen zeigen, daß die deutsche Tourismuswirtschaft bereit ist, ihre Verantwortung für eine ökologisch tragfähige Zukunft wahrzunehmen."

06.03.1997 | Pressemitteilung 8/97 | Naturschutz
https://www.bmuv.de/PM1452
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