Keynote von Bundesministerin Steffi Lemke anlässlich der Fachkonferenz "Circular Economy"

20.02.2024
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat bei der Fachkonferenz der Bertelsmann Stiftung, der Initiative "Circular Economy" des BDI und des WWF, eine Rede zum Thema Circular Economy gehalten.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Vesper,
sehr geehrter Herr Dr. Heck,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,

herzlichen Dank für Ihre Einladung zur Fachkonferenz "Circular Economy", der ich gerne gefolgt bin. Mit dieser Veranstaltung setzen BDI, WWF und Bertelsmann Stiftung ein gemeinsames Signal: die Transformation zur Kreislaufwirtschaft wird breit gewollt und unterstützt – von Wirtschaft bis Zivilgesellschaft! Sie ist ein wesentliches Element der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Auf unserem begrenzten Planeten sind die Rohstoffe endlich. Was wir theoretisch schon lange wissen, ist in den letzten Jahren sehr real geworden. Ressourcen werden knapp, Lieferketten werden immer wieder gestört oder unterbrochen, Rohstoffe sind teuer. Da liegt es auf der Hand, nicht immer neue Rohstoffe zu beschaffen und sie nach kurzer Nutzungsdauer zu entsorgen, sondern die vorhandenen Rohstoffe so lange es geht im Kreislauf zu halten und den Rohstoffverbrauch insgesamt zu senken. Das sichert die Rohstoffversorgung und ist für Unternehmen eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit und des Risikomanagements geworden.

Gleichzeitig sind wir konfrontiert mit ökologischen Krisen: Klimaerhitzung, Artenaussterben, der großflächige Verlust von Wäldern und stabilen Ökosystemen, die Vermüllung der Meere. All das gefährdet unsere Lebensgrundlagen und auch die Grundlage des Wirtschaftens.

Diese Krisen werden durch unseren Rohstoffverbrauch verschärft. Rohstoffe müssen aufwändig abgebaut, geschürft oder aus der Erde gepumpt werden. Dabei entstehen Emissionen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gehen ungefähr 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen direkt oder indirekt auf die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, Biomasse, Erzen und Mineralen zurück. Der Rohstoffabbau zerstört Landschaften und Lebensräume, er verbraucht teilweise viel Wasser und verdrängt Tiere und Pflanzen.

In zentralen Branchen, zum Beispiel in der Chemie- und Automobilindustrie, wird der überwiegende Teil der Treibhausgasemissionen nicht bei der Produktion der Endprodukte verursacht. Emissionen entstehen dort vor allem bei der Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung von Vorprodukten.

In der Grundstoffindustrie, können schon bei der Produktion erhebliche Mengen an Treibhausgasen eingespart werden. Das funktioniert zum Beispiel bei der Stahl-, Aluminium-, Kunststoff- und Zementproduktion durch verstärkte Kreislaufführung, effiziente Materialnutzung und durch die Nutzung sekundärer Rohstoffe.

Auch deswegen brauchen wir eine neue, klimaneutrale und ressourcensparende Art zu wirtschaften. Die Wirtschaft der Zukunft wird zirkulär sein.

Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Zugleich macht sie Unternehmen unabhängiger von Rohstoffimporten und krisenfester und sie schafft neue Märkte und Geschäftsmodelle. Wieviel Potenzial in der Kreislaufwirtschaft steckt, zeigt eine Zahl: In Deutschland beträgt der Anteil der Sekundärrohstoffe am gesamten Rohstoffverbrauch nur rund 13 Prozent! Diesen Anteil wollen wir deutlich steigern, und gleichzeitig den Verbrauch von Primärrohstoffen reduzieren. Dafür entwickelt das Bundesumweltministerium derzeit eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS). Diese soll im Sommer beschlossen werden.

Die Grundlage der Strategie ist das Verständnis, dass Kreislaufwirtschaft weit mehr ist als Abfallwirtschaft. Die Abfallwirtschaft ist nur ein Teil des Kreislaufs – wenn auch ein wichtiger. Wir können mit Recht stolz sein auf unsere guten Entsorgungsstrukturen. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass Abfälle sehr gut erfasst und verwertet werden. Damit ist das Potential der Kreislaufwirtschaft aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Kreislaufwirtschaft beginnt, bevor es überhaupt ein Produkt gibt: bei der Rohstoffgewinnung, beim Produktdesign und bei der Produktionsplanung. Dort werden die Grundlagen dafür gelegt, dass der Kreis sich am Ende schließen kann. Das Produktdesign muss ein Design for Recycling sein.

Es geht darum, Abfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. Das bedeutet, Produkte zu entwerfen, die lange halten. Geeignete Materialien zu verwenden und sie so zu verarbeiten, dass sie sich am Ende der ersten Nutzung gut trennen und ohne großen Qualitätsverlust wiederverwerten lassen.

Dabei müssen Entwickler, Hersteller und Verwerter eng miteinander kooperieren – und zwar über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes hinweg.

Entwickler müssen schon beim Produktdesign dafür sorgen, dass ein Verwerter am Ende mit dem Produkt arbeiten und den Stoffkreislauf schließen kann.

Das erfordert eine enge Kooperation der Wirtschaftsbeteiligten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – also nicht nur zwischen Vorlieferant und Abnehmer, sondern auch mit Verwertern, eventuell weiteren Nutzern und zum Beispiel auch Behörden. Darin liegt die eigentliche Herausforderung für eine zirkuläre Wirtschaft.

Die Voraussetzungen, um diese Herausforderung zu meistern, sind besser als je zuvor. Denn bei der Koordinierung aller Stationen des Kreislaufs können digitale Technologien helfen. Wichtig ist bei den gerade laufenden Aktivitäten der Wirtschaft, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft von Beginn an zusammen zu denken. Diesen Prozess wird die Bundesregierung mit Forschungs- und Förderprojekten unterstützen.

Zum Beispiel erfordert eine zirkuläre Wirtschaft hohe Transparenz über das gesamte Wertschöpfungsnetz. Diese soll künftig über Digitale Produktpässe hergestellt werden. Parallel zu den physischen Stoffströmen muss es digitale Datenströme geben.

Diejenigen, die Produkten und Materialien ein zweites, drittes oder viertes Leben verschaffen, brauchen Daten und Informationen aus zeitlich vorgelagerten Schritten. Jedes Glied der Kette muss wissen, wie sich Entscheidungen auf andere Wertschöpfungsstufen auswirken.

Dafür ist es unter anderem notwendig, Stoffe, Materialien und die daraus entstandenen Produkte zu kennzeichnen. Es müssen Informationen über die verwendeten Mengen oder den Verwendungsort an unterschiedlichen Stellen im System erfasst werden.

Auf dieser Grundlage können die Stoffströme über die Wertschöpfungsstufen nachverfolgt werden. Und erst dann ist es möglich, Stoffströme zu analysieren und zu optimieren – die Basis für funktionierende Geschäftsmodell in der Circular Economy.

Hierfür sind rechtliche Standards und Normen erforderlich, die Planungssicherheit geben. Deutschland will hier Vorreiter sein, auch um europäische und internationale Regelungen zu prägen.

Zudem können digitale Angebote auch stärkere Anreize für neue Konsum-Modelle setzen. Reparatur, Weiterverwendung, Second-Hand-Nutzung, Sharing – für diese zentralen Elemente einer ressourcenschonenden Wirtschaft kommt es gerade auf die Angebote im digitalen Raum an. Daran möchten wir gerne gemeinsam mit Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft arbeiten.

An all diesen Stellschrauben setzt die NKWS an. Sie wird die Ziele und Maßnahmen zum zirkulären Wirtschaften und zur Ressourcenschonung formulieren und aus allen Bereichen zusammenführen.

Damit wird ein politischer Rahmen geschaffen, der die rohstoffpolitisch relevanten Strategien der Bundesregierung bündelt. Ziel ist, den primären Rohstoffbedarf absolut zu senken und Stoffkreisläufe zu schließen. Damit ist die Strategie zugleich Fahrplan zur Klimaneutralität und industriepolitisches Fitnessprogramm. Sie wird uns helfen, das volle Potential der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen: für den Schutz von Klima und Natur, für die Transformation der Wirtschaft, für mehr Versorgungssicherheit und für die Unabhängigkeit von Rohstoffimporten.

Die Kreislaufwirtschaftsstrategie wird ergänzt durch weitere Gesetze und Instrumente, die die Transformation zur zirkulären Wirtschaft vorantreiben. Sie sorgen jeweils in einem spezifischen Bereich für mehr Ressourceneffizienz und weniger Abfälle. Zum Beispiel:

  • Mein Haus arbeitet auf europäischer Ebene an der Gestaltung einer ambitionierten EU-Verpackungsverordnung. Auf dieser Grundlage wollen wir unsere nationalen Regelungen anpassen.
  • Wir arbeiten an der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Ziel ist es, die Kosten von 1,4 Milliarden Euro auf die Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen umzulegen, damit ein Anreiz zur Vermeidung unnötiger Verpackungen geschaffen wird.
  • Ich begrüße es sehr, dass sich das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten über die Richtlinie für ein Recht auf Reparatur geeinigt haben. Das ist ein starkes Signal für Verbraucher- und Umweltschutz. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das zum Beispiel, dass sie für große Haushaltsgeräte ein Recht auf Reparatur gegenüber dem Hersteller haben. In Deutschland treiben wir das Recht auf Reparatur parallel zur EU-Richtlinie voran. Ab diesem Jahr wird das BMUV zum Beispiel ergänzend Reparatur-Initiativen fördern.
  • Im April reise ich nach Ottawa, um an der vierten Verhandlungsrunde für ein globales Plastikabkommen teilzunehmen. Es ist wichtig, dass wir als Weltgemeinschaft klare und verbindliche Vereinbarungen treffen, mit denen wir den immer weiteren Anstieg der Plastikproduktion und die Vermüllung der Meere stoppen. Dies umfasst auch die Umsetzung des Verursacherprinzips und die Einbeziehung privatem Kapitals auf globaler Ebene.

Für all diese Vorhaben und Prozesse gilt, dass Politik dann am besten funktioniert, wenn sie das Wissen, die Erfahrungen und die Bedürfnisse derjenigen einbezieht, die das Vereinbarte später mit Leben füllen und umsetzen. Beteiligung ist mir daher sehr wichtig. Auch bei der Erarbeitung der Kreislaufwirtschaftsstrategie haben wir darauf großen Wert gelegt. Wir haben mit Verbänden und Umweltschutzorganisationen, Herstellern und Verwertern, Verbraucherschützern und Forschenden gesprochen um zu hören, was sie von der Strategie erwarten, was sie brauchen. Es gab Dialogforen, Dialogwerkstätten und Runde Tische zu verschiedenen Handlungsfeldern, zum Beispiel Metalle, Fahrzeuge und Batterien oder Gebäude. Zusätzlich hat mein Haus eine Online-Beteiligung organisiert.

Der Beteiligungsprozess ist nun zum überwiegenden Teil abgeschlossen und ich bedanke mich bei WWF und BDI, die sich mit ihren Ideen eingebracht haben.

Mit der Studie "Modell Deutschland: Eine umfassende Circular Economy für Deutschland 2045" hat der WWF einen fundierten Diskussionsbeitrag zur Transformation in Deutschland und damit auch zur Erarbeitung der NKWS geleistet.

Gegenwärtig finalisiert das BMUV den Entwurf der Strategie, anschließend folgt die Ressortabstimmung.

Parallel zu der Ressortabstimmung möchte ich dann noch die Spitzenverbände zu einem zweiten Dialogforum einladen. Es ist geplant, dass das Kabinett die NKWS noch vor der Sommerpause verabschiedet.

Und danach beginnt die eigentliche Arbeit. Dann geht es an die Umsetzung.

All die gemeinsam entwickelten Ziele, Maßnahmen und Instrumente sollen in der Realität wirksam werden. Dafür wollen wir national aktiv werden und uns auch auf europäischer Ebene mit unseren Ideen einbringen.

Auch die Umsetzung der Strategie wollen wir mit Ihnen gemeinsam gestalten!

Dazu sind wir weiterhin auf Ihre Unterstützung angewiesen und freuen uns auf eine Fortführung der guten Zusammenarbeit. Gemeinsam können wir die Weichen stellen für den Umwelt- und Klimaschutz, für Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stärke.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

20.02.2024 | Rede Kreislaufwirtschaft
https://www.bmuv.de/RE10911
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