Abwasser: Wichtige Ressource und Informationsquelle für Pandemiebekämpfung

23.02.2023
Steffi Lemke besucht Deutschlands größtes Klärwerk in Hamburg
Steffi Lemke besuchte eine Hamburger Kläranlage, um sich über das dort durchgeführte SARS-CoV-2 Abwassermonitoring und den Pandemieradar sowie über Entwicklungen in der Abwasserwirtschaft zu informieren.

Bundesumwelt- und Bundesgesundheitsministerium fördern Abwassermonitoring mit wichtigen Informationen für Pandemieradar

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat heute zusammen mit der Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Antje Draheim, die Hamburger Kläranlage besucht. Sie informierten sich dabei über das hier durchgeführte SARS-CoV-2 Abwassermonitoring und den Pandemieradar sowie über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Abwasserwirtschaft. Das gezielte Abwassermonitoring bietet die Chance, frühzeitig Infektionswellen zu erkennen. Darüber hinaus sorgt das von HAMBURG WASSER auf hohem Niveau gereinigte Abwasser für eine saubere und sichere Umwelt. Kläranlagen leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung und sichern zudem eine nachhaltige Nutzung der bei der Abwasserbehandlung zurückgewonnenen Stoffe wie zum Beispiel Phosphor.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: "Oft wird Abwasser nur als Abfallprodukt angesehen. Dabei bietet die Abwasserbehandlung von Kläranlagen Chancen für den Gesundheitsschutz und die Rückgewinnung von Rohstoffen. Abwassermonitoring und Pandemieradar zeigen die erfolgreiche Zusammenarbeit von Umwelt- und Gesundheitsseite und auch welcher Informationsschatz sich im Abwasser findet. Abwasseruntersuchungen können den Trend eines Infektionsgeschehens abbilden und als Frühwarnsystem im Gesundheitsbereich dienen. Am Standort Hamburg zeigt sich außerdem am Beispiel Phosphor, wie Stoffkreisläufe geschlossen werden können."

Staatssekretärin Dr. Antje Draheim: "Abwasseruntersuchungen helfen Umwelt- und Gesundheitsaufsicht gleichermaßen. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass wir damit sehr früh Trends im Infektionsgeschehen ablesen können. Dieses Frühwarnsystem ist wesentlicher Bestandteil des Pandemieradars. Das Monitoring kann helfen, Gesundheitskrisen künftig besser in den Griff zu bekommen."

HAMBURG WASSER-Geschäftsführer Ingo Hannemann: "Abwasser ist das neue schwarze Gold und unser Klärwerk Hamburg wird mehr und mehr zur urbanen Mine. Aus dem Klärschlamm, der bei der Reinigung des Abwassers entsteht, gewinnen wir Biogas, das zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt wird. Seit mehr als zehn Jahren produzieren wir Überschüsse, die wir an die öffentlichen Netze abgeben. Mit neuen Technologien werden wir künftig außerdem wichtige Rohstoffe wie beispielsweise Phosphor aus dem Abwasser recyceln. Mit der Zulieferung von Abwasserproben für den RKI-Pandemieradar helfen wir dabei, die öffentliche Gesundheitsprävention besser aufzustellen. Wasserunternehmen wie HAMBURG WASSER wandeln sich bundesweit zu breit aufgestellten Dienstleistungsbetrieben, die umfassende Services für die Menschen in unserem Land bieten – echte Daseinsvorsorge eben."

Hintergrundinformationen:

Im Oktober 2022 wurde der durch das Robert Koch-Institut betriebene Pandemieradar in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Wichtiger Bestandteil dieses Datendashboards ist die Trendanalyse der Viruslast im Abwasser, für die SARS-CoV-2-Virusfragmente im Abwasser bestimmt werden müssen. Schon mehr als 50 Kläranlagenstandorte in Deutschland liefern bereits regelmäßig Daten zu SARS-CoV-2 Funden im Abwasser, welche über das Umweltbundesamt (UBA), qualitätsgesichert an das Robert-Koch Institut (RKI) weitergeleitet werden. Dort erfolgt anschließend die Trendberechnung für die epidemiologische Lagebewertung. Etwa 170 Standorte sollen insgesamt an den Pandemieradar angeschlossen werden. Die Abwasserproben werden stichprobenartig auch auf neu auftretende Virusvarianten untersucht. Derzeit werden zudem aus dem Abwasser der internationalen Flughäfen Frankfurt/Main und Berlin Proben entnommen und auf Virusvarianten analysiert. Daran sind auch die TU Darmstadt und das UBA beteiligt.

Die Analyse der Viruslast im Abwasser gibt unabhängig von Testungen an Menschen oder Meldungen bei Gesundheitsbehörden Auskunft über die Verbreitung von SARS-CoV-2-Viren und deren Varianten in Deutschland. Auch asymptomatische Infektionen werden durch sie erfasst. Jedoch können aus dem Abwassermonitoring keine Informationen über die individuelle Schwere von Erkrankungen oder die klinische Relevanz etwaiger Virusvarianten gewonnen werden. Ein Gesamtbild des aktuellen Pandemiegeschehens ergibt sich, wenn alle zehn Indikatoren des Pandemieradars zusammengelesen werden. Einmal fertig etabliert, kann das Abwassermonitoring als Frühwarnsystem dienen: Die Kurve der Viruslast im Abwasser steigt in der Regel mehrere Tage früher an als dies bei anderen Indikatoren des Pandemieradars der Fall ist. Damit kann wertvolle Zeit gewonnen werden, um gegebenenfalls Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus frühzeitig zu ergreifen. Die Abwasserüberwachung wurde in mehreren Forschungsprojekten mit Förderung der EU Kommission, des BMBF und einiger Länder in Deutschland begonnen. Nunmehr finanziert das Bundesministerium für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Vorhaben "Abwasser-Monitoring für die epidemiologische Lageüberwachung" (AMELAG) die Etablierung fester Strukturen zur Abwasserüberwachung mit über 30 Millionen Euro bis Ende 2024.

Im Oktober 2022 hat die EU Kommission einen Entwurf für die Novellierung der Kommunalabwasser-Richtlinie vorgelegt. Mit dem Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission werden wichtige Anforderungen an die Abwasserwirtschaft gestellt, um als Teil des Green Deals die Null-Schadstoff-Vision 2050 zu verwirklichen. Bis 2050 soll die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden auf ein Niveau gesenkt werden, welches die Gesundheit der Menschen und intakte Ökosysteme bewahrt.

Der Richtlinienentwurf umfasst auch weitere ambitionierte Ziele für den Gesundheits-, Umwelt- und Ressourcenschutz. Bis 2040 sollen alle Kläranlagen ab einer Größenklasse von 10.000 Einwohnerwerten energieneutral sein, zudem soll Klärschlamm zukünftig so behandelt werden, dass wichtige Rohstoffe wie Phosphor effektiv zurückgewonnen werden können. Da Phosphor auf der Liste der EU für kritischen Rohstoffe steht, ist die Rückgewinnung aus dem Abwasser und Klärschlamm von Bedeutung für die nachhaltige Ressourcenschonung. Derzeit befindet sich der Richtlinienentwurf in den Verhandlungen im Rat und im Europäischen Parlament.

Die 2017 novellierte Deutsche Klärschlammverordnung (AbfKlärV) schreibt ab 2029 eine Rückgewinnungspflicht des Nährstoffes Phosphor aus Klärschlamm und Klärschlammaschen fest. Der von der EU als "kritisch" eingestufte Nährstoff wird derzeit vor allem für Düngezwecke fast ausschließlich aus Nicht-EU-Staaten – darunter auch Russland – und unter umweltschädlichen Bedingungen abgebaut und importiert. Der aus Klärschlamm und Klärschlammaschen zurückgewonnene Phosphor, soll vor allem in der Landwirtschaft Einsatz finden. Die ab 2029 geltenden Vorschriften der AbfKlärV sollen es ermöglichen, bis zu 40 Prozent des in der Landwirtschaft gebrauchten Phosphor-Mineraldüngers durch Rezyklate zu ersetzen.

Die Kläranlage von HAMBURG WASSER ist auf den hier genannten Feldern bereits technologischer Vorreiter und zeigt welchen zusätzlich wichtigen Beitrag, Kläranlagen neben der Abwasserbehandlung, in Zukunft für die Gesellschaft leisten werden.

Hier leistet auch die durch das BMUV im Entwurf vorgelegte Nationale Wasserstrategie einen wichtigen Beitrag, in dem die Wasserwirtschaft der Zukunft effizient, ressourcenschonend und nachhaltig mit Natur und Umwelt, Energie, Roh- und Wertstoffen umgeht. Die effiziente (Rück-)Gewinnung von Energie, Wasser und Wertstoffen soll in stärkerer Kooperation mit anderen Sektoren wie der Abfall-, Sekundärrohstoff- und Energiewirtschaft, der Düngemittelproduktion und der Landwirtschaft umgesetzt werden. Damit wird auch der EU-Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft umgesetzt: Abwasser und Abwasserinhaltsstoffe werden als Ressource genutzt.

23.02.2023 | Pressemitteilung Nr. 025/23 | Gesundheit
Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Hamburg Wasser

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https://www.bmuv.de/PM10476
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