Rede von Steffi Lemke zur Eröffnung der IFAT

30.05.2022
Bundesministerin Steffi Lemke
In ihrer Rede bei der Weltleitmesse für Umwelttechnologien IFAT hob Bundesumweltschutzministerin Steffi Lemke die Rolle der Kreislaufwirtschaft hervor, um Ressourcenabhängigkeiten zu reduzieren und das Klima zu schützen.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Kollege Glauber,
sehr geehrter Herr Rummel,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute mit Ihnen die IFAT 2022 zu eröffnen. Vor zwei Jahren fiel die Messe wegen damals gerade beginnenden Coronakrise aus. Es ist gut, dass sie jetzt wieder stattfinden kann. Ein Blick durch die Messehallen demonstriert eindrucksvoll: Deutschland ist DER große Anbieter für Umwelttechnologien. Wir sehen hier viel Innovationsgeist auch in Krisenzeiten.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben hart darum gerungen und ringen immer noch, dass Deutschland gut durch und aus der Corona-Krise kommt. Es ist deshalb gut zu sehen, dass die IFAT in diesem Jahr wieder stattfinden kann. Ich wünsche Ihnen allen eine erfolgreiche Messe mit vielen guten Kontakten, aus denen die Geschäfte und Innovationen von morgen werden.

Sie wissen aber leider auch, dass wir uns weiterhin in einer krisenhaften Zeit befinden:

  • Der brutale Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine verursacht massives Leid vor Ort. Seine Folgen sind jedoch mittlerweile auch weltweit spürbar: Die Ernährungssicherheit ist vielerorts gefährdet.
  • Wirtschaft und Gesellschaft spüren noch immer die Folgen der Corona-Pandemie.
  • Beides führt dazu, dass die globalen Liefer- und Logistikketten massiv gestört sind.
  • Und gleichzeitig spitzen sich die existenziellen Umweltkrisen weiter zu – allen voran die Klimakrise und das Artenaussterben.

In dieser Situation sind Lösungen gefragt, die mehrere Herausforderungen gleichzeitig angehen. Das heißt:

  • Lösungen, die uns unabhängiger machen von vulnerablen Lieferketten und von der ständigen Zufuhr neuer Rohstoffe aus allen Ecken der Welt.
  • Und die uns gleichzeitg im Artenschutz und Klimaschutz voranbringen.

Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft bietet eine Vielzahl solcher Lösungen. Sie spart Primärressourcen, reduziert Abhängigkeiten und trägt gleichzeitig maßgeblich zum Klima- und Artenschutz bei. Untersuchungen zeigen, dass ungefähr die Hälfte aller globalen Treibhausgasemissionen und 90 Prozent des Artenaussterbens und der Wasserknappheit zurückzuführen sind auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen. Das ist für mich ein ganz wesentliches Ansporn dafür, die Kreislaufwirtschaft voran zu treiben.

In Deutschland sind wir in Sachen Kreislaufwirtschaft in einigen Bereichen schon stark aufgestellt. Das wird hier auf der IFAT deutlich sichtbar.

Doch wir können noch besser werden, die Chancen der Kreislaufwirtschaft noch stärker nutzen. Und hier kommt die Politik ins Spiel. Denn mir ist bewusst, dass rechtliche Vorgaben den Schub und das notwendige Level-playing-field schaffen können, um Umweltschutz zu einem interessanten Geschäftsmodell zu machen. Ohne kluge Regulierung findet Kreislaufwirtschaft viel zu häufig gar nicht erst statt.

Ich will mit meiner Politik dazu beitragen, die Kreislaufwirtschaft in allen Phasen ihres Zyklus zu stärken.

Drei Aspekte davon will ich hervorheben.

Erstens: Ich setze mich dafür ein, dass Kreislaufwirtschaft künftig noch stärker vom Anfang, von der Produktgestaltung, her gedacht wird. Das ist auch europaweit die Maßgabe. Diesem Ziel dienen der Circular Economy Action Plan und die Sustainable Products Initiative der Europäischen Kommission. EU-Kommissar Sinkevičius hat bei deren Vorstellung eine Vision formuliert, die ich voll und ganz teile: Ein Europa, in dem nur noch Produkte angeboten werden dürfen, die von vorne herein so gestaltet sind, dass sie klimafreundlich sind, weil sie sich hochwertig im Kreislauf führen lassen.

  • Elektrogeräte, die leicht auseinander gebaut werden können, um sie zu reparieren.
  • Textilien mit Fasern, aus denen in einem zweiten Leben wieder neue Kleidung entsteht.
  • Kunststoffe und andere Materilien, die alle so beschaffen sind, dass sie wieder hochwertig und mit geringem Energieaufwand werkstofflich recycelt werden können.

Kurzum: Ökodesign für sämtliche Produkte im europäischen Markt. Mit der Batterieverordnung haben wir EU-weit ein Pilotprojekt geschaffen, das diesen Lebenszyklusansatz umsetzt.

Zusätzlich ist das "Recht auf Reparatur" ein Projekt, das ich schnell nach vorne bringen will. Ziel ist, eine Investitionsdynamik in Richtung langlebiger, mehrfach verwendbarer und reparierbarer Güter zu entfachen. Mit einem gesetzlich verankerten Fondsmodell wollen wir ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Design und den Rezyklateinsatz bei Einwegverpackungen belohnen.

Der zweite Aspekt, den ich heute hervorheben möchte: Ich will, dass wir noch besser darin werden, unseren Ressourcenbedarf zu reduzieren. Denn wir alle wissen: Unser ökologischer Fußabdruck ist zu groß. Unser Verbrauch an Rohstoffen wie Beton, Öl, Holz oder Kupfer überlastet unseren Planeten.

Die Ampel-Koalition hat sich deshalb erstmals das Ziel gesetzt, den primären Rohstoffverbrauch zu senken und Stoffkreisläufe zu schließen. Dafür will ich in einer nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie den rechtlichen Rahmen setzen und klare Ziele definieren. Ein wichtiger Aspekt dabei sind die Verpackungsabfälle. Deutschland überbietet sich selbst jedes Jahr darin, immer mehr Verpackungsabfälle zu produzieren. Wir nehmen es viel zu oft hin, dass Produkte aus fossilem Öl hergestellt werden, die nach kurzer Nutzung einfach weggeworfen werden. Viele dieser Produkte verschmutzen unsere Parks und Straßen. Das ist kein Naturgesetz, sondern eine überkommene Struktur und ein Verhalten, das ich ändern will. Durch gesetzliche Ziele, durch mehr Mehrweg, Rücknahme und Pfandsysteme.

Ein nächster Schritt ist die Beteiligung der Hersteller an den Reinigungs- und Entsorgungskosten bestimmter, häufig in die Umwelt entsorgter Kunststoffprodukte. Hier erarbeitet mein Ministerium derzeit ein rechtlich tragfähiges und möglichst praxisgerechtes Instrument, um die EU-rechtlich geforderte Kostenbeteiligung umzusetzen.

Ich will, dass Einweg weniger attraktiv wird und Mehrweg der neue Standard. Ab 2023 müssen deshalb Restaurants, Bistros und Café für To-Go-Speisen und -Getränke Mehrwegverpackungen anbieten. Aber ich will noch weiter gehen. Derzeit evaluiert mein Ministerium das Verpackungsgesetz. Schon jetzt kann ich sagen, dass wir darüber nachdenken, Supermärkte und andere Einzelhändler dazu zu verpflichten, eine Mindestanzahl ihrer Getränke in Mehrwegflaschen anbieten zu müssen. Wir werden außerdem auf eine ambitionierte Revision der Europäischen Verpackungsrichtlinie drängen.

Der dritte Aspekt, auf den ich heute eingehen möchte: Ich will das Recycling stärken. Dafür wollen wir sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene die entsprechenden Regeln weiterentwickeln. Viele von Ihnen kommen aus der Recyclingbranche – sie sind unsere obersten Ressourcenschoner. Denn die Stoffe, mit denen Sie Geld verdienen und lokale Arbeitsplätze schaffen, muss niemand erst am anderen Ende der Welt abbaggern, aus der Erde pumpen oder schürfen. Das Recycling funktioniert in vielen Bereichen hier in Deutschland schon ziemlich gut. In Europa sind wir Vorreiter.

Aber auch hier können wir noch besser werden. Mein Ziel ist, dass wir

  • aus jedem Abfall möglichst hochwertige, marktgängige und schadstoffarme Sekundärrohstoffe gewinnen
  • und dass wir die Menge der bei der Produktion eingesetzten Sekundärrohstoffe steigern.

Auch deshalb unterstütze ich die Sustainable Products Initiative der EU-Kommission, die dafür sorgt, dass es immer mehr Produkte aus Recyclingmaterialien geben soll. Die SPI wird suksessive auf neue Felder ausgeweitet. So sollen zum Beispiel ab 2025 Textilien separat gesammelt werden, perspektivisch müssen sie recycelt werden können. Das ist ein unentbehrlicher Schritt, um den Übergang von "fast fashion“ hin zu "sustainable fashion" zu schaffen.

Was den Verpackungssektor angeht, strebe ich an, auf europäischer Ebene Hersteller zum Einsatz von gebrauchten Materialien zu verpflichten, mit sogenannten produktspezifischen Rezyklateinsatzquoten. Das für PET-Flaschen vorgesehene Modell soll perspektivisch ausgeweitet werden auf andere Produktgruppen. Dem Ziel, den Markt für Sekundärrohstoffe auszubauen, dient auch die geplante Plastikabgabe.

Als Verbraucherschutzministerin stehen für mich dabei Information und Schutz der Verbraucher ganz oben auf der Agenda. Dem soll unter anderem ein digitaler Produktpass und das geplante Recyclinglabel dienen.

All das zeigt: In Deutschland ist der Boden bereitet für eine erfolgreiche und ressourcenleichte Kreislaufwirtschaft. Aber in jeder Phase des Zyklus können wir noch besser werden. Daran will ich gemeinsam mit Ihnen arbeiten. Die Bundesregierung wird hierfür eine Vielzahl von Maßnahmen anstoßen. Gebündelt werden diese Ansätze in einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. Ich lade Sie herzlich dazu ein, dabei Ihre Expertise einzubringen.

Mit all diesen Maßnahmen will ich den Markenkern der deutschen Hersteller stärken mit ihren langlebigen und qualitativ hochwertigen Produkten. Ich setze mich daher zusammen mit Kollegen aus vielen anderen Mitgliedstaaten nicht nur für ambitionierte Regelungen auf EU-Ebene ein. Ich werbe außerdem dafür, im europäischen Recht zu ermöglichen, dass wir in bestimmten Bereichen aus Gründen des Umweltschutzes national darüber hinausgehen können. Schließlich wollen wir weiterhin Vorreiter sein dürfen.

Zum Abschluss will ich gesondert eingehen auf eine Ressouce, die ganz besonders schützenswert ist: unser Wasser. Die lebenswichtigste Ressource überhaupt – als Nahrungsmittel, im Haushalt, in der Industrie und der Landwirtschaft essentiell. Umso beunruhigender ist es, dass in vielen Regionen der Welt Wassermangel ein immer drängenderes Problem wird.

Und selbst hier in Deutschland als traditionell wasserreiches Land steht die Wasserwirtschaft vor immensen Herausforderungen. Diese will ich als Umweltministerin angehen mit einer Nationalen Wasserstrategie. Sie bündelt Maßnahmen für einen sorgsamen Umgang mit der knappen Ressource Wasser. Vielen von Ihnen haben sich intensiv in den Dialog dazu eingebracht. Dafür vielen Dank. [

Deutschland ist DER große Anbieter für Umwelttechnologien und ich will, dass das so bleibt. Mit meiner Politik will ich dafür sorgen, dass Ihre Produkte und Innovationen weiter in Deutschland und im Export zum Einsatz kommen – zum Nutzen von Mensch und Umwelt.

Ihnen allen wünsche ich eine erfolgreiche Messe.

Vielen Dank.

30.05.2022 | Rede Kreislaufwirtschaft | Berlin
https://www.bmuv.de/RE10102
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