Berlin und Brüssel wollen Zusammenarbeit bei Fragen der nuklearen Sicherheit vertiefen

01.02.2016
Flagge von Belgien weht im Wind
Hinweis: Dieser Text stammt aus dem Pressearchiv.
Veröffentlicht am:
Laufende Nummer: Nr. 021/16
Thema: Nukleare Sicherheit
Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Leitung: Barbara Hendricks
Amtszeit: 17.12.2013 - 14.03.2018
18. Wahlperiode: 17.12.2013 - 14.03.2018
Hendricks führt in Brüssel Gespräch über belgische Atomkraftwerke

Hendricks führt in Brüssel Gespräch über belgische Atomkraftwerke

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat heute in Brüssel ein Gespräch mit dem belgischen Vizepremierminister und dem für Reaktorsicherheit zuständigen Innenminister Jan Jambon und der dortigen Umweltministerin Marie Christine Marghem geführt. Im Mittelpunkt standen die Laufzeitverlängerung für die belgischen Atomkraftwerke Doel und Tihange und die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3. Dabei wurde vereinbart, dass Deutschland und Belgien ihre Zusammenarbeit in Fragen der Reaktorsicherheit verstärken und durch ein Abkommen auf eine dauerhafte Grundlage stellen. Es wurde eine deutsch-belgische Arbeitsgruppe zur Nuklearen Sicherheit eingesetzt, die unverzüglich ihre Arbeit aufnehmen und Vorschläge erarbeiten soll. Hendricks sprach sich zudem dafür aus, dass auch bei einer Laufzeitverlängerung älterer Atomkraftwerke eine grenzüberschreitende Prüfung der Umweltverträglichkeit Pflicht sein solle und nicht nur beim Neubau von Anlagen. Die Ministerin erläuterte den belgischen Kollegen zudem eindringlich, dass die Menschen, insbesondere in den grenznahen Gebieten, in Deutschland sehr besorgt über den Betrieb der belgischen AKW sind.

Bundesumweltministerin Hendricks: "Wer sich für die Atomenergie entscheidet, muss sich den kritischen Fragen seiner Nachbarn stellen. Das gilt zum einen für den Langzeitbetrieb älterer Anlagen, den ich für den falschen Weg halte. Zum anderen dringen wir auf umfassende Klärung der offenen Sicherheitsfragen zu Tihange 2 und Doel 3, die meine Experten vor mehr als zwei Wochen an die belgische Atomaufsicht gestellt haben. Wir wollen wissen, welches Prüf- und Bewertungsverfahren angewandt wurde und wie die Sicherheitsnachweise für die Reaktordruckbehälter der beiden AKWs erbracht wurden. Nach Einschätzung meiner Fachleute stellen die in den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen gefundenen Wasserstoffflocken eine signifikante Abweichung von der geforderten Fertigungsqualität dar. Aus unserer Sicht ist deshalb fraglich, inwieweit das mit grundlegenden Anforderungen an die Sicherheit von Atomkraftwerken vereinbar ist. Ich danke Vizepremier Jambon, dass er mir heute eine schnellstmögliche Beantwortung unseres Fragenkatalogs zugesagt hat."

Experten des Bundesumweltministeriums hatten auf einem internationalen Arbeitstreffen, zu dem die belgische Atomaufsichtsbehörde am 11. und 12. Januar eingeladen hatte, eine Liste mit 15 offenen Fragen zur Sicherheit der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 übergeben.

Bundesumweltministerin Hendricks betonte, man sei sich einig, dass es für den regelmäßigen und dauerhaften Informationsaustausch zwischen Deutschland und Belgien über Fragen der nuklearen Sicherheit ein fester rechtlicher Rahmen benötigt werde. Hendricks: "Die Verhandlungen darüber werden wir unverzüglich aufnehmen. Ich denke da an ein Abkommen zur nuklearen Sicherheit mit einer regelmäßig tagenden Kommission. Solche Abkommen haben wir bereits mit anderen Nachbarstaaten, z. B. Frankreich, abgeschlossen. Sie haben sich bewährt, indem sie eine verlässliche Grundlage für offene und kritische Diskussionen zentraler nuklearer Sicherheitsfragen bieten."

Auf Initiative von Hendricks wurde auch über die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Laufzeitverlängerungen älterer Atomkraftwerke gesprochen. Hendricks: "Nach meiner Auffassung sollte eine solche Prüfung nicht nur dann Pflicht sein, wenn es um den Neubau von Anlagen geht. Sie sollte auch dann verpflichtend sein, wenn die Laufzeit betagter Atomkraftwerke verlängert wird. Denn erhebliche nachteilige grenzüberschreitende Auswirkungen können nicht nur aufgrund der Errichtung und des erstmaligen Betriebs eines AKW auftreten, sondern auch aufgrund des fortgesetzten Betriebs, der über die ursprünglich genehmigte Laufzeit eines Atomreaktors hinausgeht. Gerade angesichts des alternden AKW-Bestandes in Europa und der zunehmenden Tendenz, Laufzeiten zu verlängern oder auch Leistungserhöhungen bis an die Grenze der technischen Machbarkeit zu gestatten, halte ich diese Debatte für sehr wichtig. Ich habe Vizepremier Jambon und Umweltministerin Marghem darüber informiert, dass ich es für richtiger gehalten hätte, wenn Belgien vor einer Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt hätte, auch wenn es nach derzeitiger Rechtslage nicht zwingend dazu verpflichtet gewesen sein sollte."

Hendricks betonte, dass die Frage der Atomkraftnutzung in der souveränen Kompetenz jedes Staates liegt. Das habe sie auch gegenüber dem Kollegen Jambon deutlich gemacht. Für die Menschen in Deutschland sei es aber nur schwer zu verstehen, dass sie trotz des deutschen Atomausstiegs weiterhin dem Risiko des Betriebs von Atomkraftwerken in den Nachländern ausgesetzt seien.

01.02.2016 | Pressemitteilung Nr. 021/16 | Nukleare Sicherheit
https://www.bmuv.de/PM6384
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