Was bedeuten die Urteile des EuGH und des belgischen Verfassungsgerichtshofs zum Gesetz über Laufzeitverlängerungen der AKW Doel-1 und Doel-2 im Zusammenhang mit der Pflicht zur Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP?

FAQ

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 29. Juli 2019 (Rechtssache C-411/17) festgestellt, dass die gesetzlich festgelegte Laufzeitverlängerung der beiden belgischen Atomkraftwerke (AKW) Doel-1 und Doel-2 nach der EU Richtlinie über Umweltverträglichkeitsprüfungen bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) einer grenzüberschreitenden UVP bedurfte. Diese Position hatte die Bundesregierung auch in dem Verfahren vor dem EuGH vertreten.

Das Unterbleiben der notwendigen UVP hatte nach Auffassung des EuGH nicht zwingend zur Folge, dass das belgische Gesetz, mit dem die Stromerzeugung durch die AKW Doel-1 und Doel-2 verlängert wurde, aufgehoben und der Betrieb eingestellt werden muss. Der Gerichtshof hat einen Weiterbetrieb aber an strenge Voraussetzungen, insbesondere die Nachholung der fehlenden UVP geknüpft.

Mit Urteil vom 5. März 2020 (Entscheid Nr. 34/2020) ist der belgische Verfassungsgerichtshof, der die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt hatte, dem EuGH gefolgt und hat das Gesetz zur Laufzeitverlängerung von Doel-1 und Doel-2 aufgrund fehlender UVP für nichtig erklärt. Die obengenannten strengen Voraussetzungen, die der EuGH für eine Aufrechterhaltung der Gesetzesfolgen und damit einen Weiterbetrieb aufgestellt hat, bejahte der belgische Gerichtshof allerdings. Als notwendigen Zeitraum, um die UVP nachzuholen und somit eine Legalisierung herbeizuführen, benannten die Richter den 31. Dezember 2022. Die Nachholung des UVP Verfahrens erfolgte fristgerecht.

Nicht geprüft und entschieden hat der EuGH, ob das Fehlen einer grenzüberschreitenden UVP einen Verstoß gegen die UNECE Espoo-Konvention darstellt. Das EuGH-Urteil konnte nicht unmittelbar auf die Espoo-Konvention übertragen werden, da die maßgeblichen Regelungen der UVP-Richtlinie und der Espoo-Konvention nicht deckungsgleich sind. Ob und unter welchen Voraussetzungen Laufzeitverlängerungen bei AKW nach der Espoo-Konvention einer grenzüberschreitenden UVP bedürfen, war in der Vergangenheit heftig umstritten. Bei der Espoo-Konvention prüfte eine Arbeitsgruppe unter Mitarbeit von fast 30 Ländern und Interessengruppen unter deutsch-britischem Co-Vorsitz diese offenen Fragen und verabschiedete nach einem Zeitraum von drei Jahren Ende 2020 einen Leitfaden. Der Espoo Leitfaden zu Laufzeitverlängerungen von AKW verfolgt einen pragmatischen Ansatz, um zu klären, ob und unter welchen Umständen Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern.

Deutschland forderte seit langem, substantielle Laufzeitverlängerungen von Atomkraftanlagen einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, weil die Gefahren für die Umwelt bei einer weit über die ursprüngliche Betriebsdauer hinausreichenden Laufzeitverlängerung eines AKW ein Ausmaß umfassen, welches einer Erstinbetriebnahme einer Anlage gleichkommt. Das hat das Urteil des EuGH sowie die Verabschiedung des Espoo Leitfadens bestätigt. Laufzeitverlängerungen von AKW lehnt das Bundesumweltministerium entschieden als falschen Weg ab. Das Bundesumweltministerium wird sich auch weiterhin international dafür einsetzen, dass Laufzeitverlängerungen künftig zumindest einer grenzüberschreitenden UVP unterzogen werden.

Enthalten in Fragen und Antworten zu
Tihange und Doel

Stand:

https://www.bmuv.de/FA1266

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