Untersuchung zur Gefährdung von Beschäftigten bei der Abfallsammlung und -abfuhr durch Keimbelastungen

Abschlussbericht eines Forschungsvorhabens der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

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Keine höheren gesundheitlichen Risiken durch Bioabfälle

Die Einführung der getrennten Erfassung und Verwertung von Wertstoffen des Hausmülls hat auch Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in der Abfallwirtschaft. Im Forschungsvorhaben wurde die Exposition von Müllwerkern durch Pilze, Bakterien und Endotoxine ermittelt und die Auswirkungen verschiedener Einflussgrößen untersucht. Darüber hinaus wurde der Gesundheitszustand von insgesamt 220 Müllwerkern durch arbeitsmedizinische Untersuchungen erfasst und auf einen Zusammenhang zur Keimexposition hin geprüft. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Belastungssituation bei der getrennten Bioabfallsammlung wurden zwei Testgruppen (mit und ohne Bioabfall-Exposition) unterschieden.

Nach den Ergebnissen der Expositionsmessungen sind Müllwerker an ihrem Arbeitsplatz Keimimmissionen ausgesetzt, die z.T. deutlich über den Hintergrundwerten liegen. Auf der Basis der untersuchten Einflussgrößen wurden erste Empfehlungen im Hinblick auf eine Reduzierung der Belastungen abgeleitet.

Bei den arbeitsmedizinischen Untersuchungen wurde nur eine geringe Anzahl an erkrankten Beschäftigten ermittelt. Ein Zusammenhang zwischen Keimbelastung und Gesundheitszustand konnte nicht nachgewiesen werden. Es gab auch keinen Hinweis darauf, dass die Bioabfallsammlung im Vergleich zur Rest- oder Hausmüllsammlung mit höheren gesundheitlichen Risiken für den Müllwerker verbunden ist.

Zielsetzung und Fragestellung des Vorhabens

Ziel dieses Forschungsvorhabens war die Erfassung der Keimexposition von Beschäftigten im Bereich der Abfallsammlung unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren sowie die Ermittlung ihres Gesundheitszustandes. Beide Aspekte wurden parallel betrachtet und auf einen möglichen Zusammenhang hin untersucht. Dabei stand die Überprüfung folgender Fragestellungen im Vordergrund:

  • Lässt sich für unterschiedliche Abfallarten zu verschiedenen Jahreszeiten ein jeweils reproduzierbares Belastungsniveau ermitteln?
  • Wie unterscheidet sich das Belastungsniveau für die verschiedenen Tätigkeiten im Bereich der Abfallsammlung?
  • Welchen Einfluss haben die Abfallart, das Temperaturniveau und der Abfuhrrhythmus?
  • Durch welche Maßnahmen lässt sich das Belastungsniveau reduzieren?
  • Ist eine spezifische gesundheitliche Beanspruchung unter Berücksichtigung des Belastungsniveaus feststellbar?
  • Wie häufig sind klinisch manifeste und klinisch (noch) nicht manifeste Sensibilisierungen festzustellen? Wie häufig liegen nicht immunologisch vermittelte Gesundheitsstörungen vor?
  • Sind die ggf. ermittelten Gesundheitsstörungen von der Höhe und der Art der Belastung abhängig?

Dabei wurde vor allem der Frage nachgegangen, ob die Belastungssituation durch die Einführung der getrennten Bioabfallsammlung verstärkt wurde.

Schwerpunkte der Untersuchungen

Das Untersuchungsprogramm des Forschungsvorhabens beinhaltete i.W. zwei Schwerpunkte:

  • Untersuchungen zur Keimexposition der Müllwerker in Abhängigkeit verschiedener Einflussgrößen unter standardisierten Bedingungen und beim realen Arbeitsvorgang.
  • Arbeitsmedizinische Untersuchungen: Im Rahmen der Expositionsmessungen wurden u.a. die Einflussgrößen Arbeitsplatz, Abfallarten [Restmüll bei getrennter Bioabfallsammlung, Hausmüll ohne getrennte Bioabfallsammlung, Bioabfall, Leichtverpackungen (LVP, DSD)], Jahreszeit und Behälterstandzeit (7 Tage,14 Tage) betrachtet.

Folgende Belastungen wurden überprüft: Gesamtschimmelpilze (TRBA 430), Aspergillus fumigatus, Gesamtbakterienkonzentration (BIA Nr. 9430), Coliforme und E. coli sowie luftgetragene Endotoxine (BIA Nr. 9450).

Im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchungen wurden zwei Gruppen von Müllwerkern für einen direkten Vergleich unterschieden: Müllwerker mit Bioabfall-Exposition (aus dem Bereich der Bioabfallsammlung) und Müllwerker ohne Bioabfall-Exposition (aus dem Bereich der Rest- und Hausmüllsammlung). Insgesamt wurden 220 Personen untersucht. Die Untersuchung umfasste u.a. Anamnese (Schwerpunkte: bronchopulmonale und gastrointestinale Symptome bzw. Erkrankungen, Häufigkeit der Schnitt- und Stichverletzungen), Lungenfunktionsuntersuchungen, Blutgasanalyse in Ruhe, Blutuntersuchungen, allergologische/immunologische Parameter im Serum und Untersuchungen von Atemwegssekreten.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Müllwerker sind unter den beschriebenen Randbedingungen an ihrem Arbeitsplatz Keimimmissionen ausgesetzt, die im Schichtmittel bei den Gesamtschimmelpilzen im Hauptuntersuchungsgebiet im Bereich von 102-104 KBE/m³ (Kolonie-Bildende Einheiten pro Kubikmeter), in anderen Gebieten im Bereich von 104-105 KBE/m³ und bei den Bakterien zwischen 104-105 KBE/m³ und damit deutlich über den Hintergrundwerten liegen. Kurzzeitige Belastungsspitzen beim Ladevorgang können beim Lader im Mittel bei 104-105 KBE/m³ liegen, wobei bei den Pilzen auch Spitzenwerte bis 107 KBE/m³ erreicht werden. Grundsätzlich ist der Fahrer erheblich geringer belastet als der Lader (i.d.R. mindestens um eine Zehnerpotenz). Aber auch in der Fahrerkabine können vereinzelt hohe Keimkonzentrationen vorkommen, die z.B. aus Einträgen mit der Kleidung sowie mangelnder Fahrzeughygiene resultieren können. Hohe Expositionswerte für den Lader bzw. Holer wurden bei der Simulation einer Sichtkontrolle nach vorherigem Rütteln der Behälter und provozierter Sporenfreisetzung ermittelt.
Auch Keimemissionen aus dem Laderaum können beim Kippvorgang zur Keimbelastung des Laders beitragen, wobei der Fahrzeugtyp, der Beladungszustand und die Fahrzeughygiene eine Rolle spielen dürften.

Unterschiede zwischen den Abfallarten hinsichtlich der Keimexposition konnten lediglich im Falle von Aspergillus fumigatus und nur bei höheren Temperaturen nachgewiesen werden, bei denen vom Bioabfall die höchsten Werte ausgingen. Bei den Gesamtschimmelpilzen, Bakterien und Endotoxinen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede; tendenziell lagen die Werte für DSD-Abfall am niedrigsten.

Ein Anstieg der Exposition bei höheren Außentemperaturen während der Behälterstandzeit konnte im standardisierten Versuch mit Ausnahme der Endotoxine eindeutig nachgewiesen werden. Vor allem Aspergillus fumigatus, der i.d.R. während der Wintersimulation unterhalb der Nachweisgrenze lag, trat bei der Sommersimulation (mit Maximaltemperaturen von 30 °C) in hohen Konzentrationen auf. Der Einfluss der Außentemperatur konnte beim realen Arbeitsvorgang im Rahmen der Feldmessungen bei gemäßigteren Temperaturen nicht in der Form ermittelt werden. Aber auch hier waren bei sommerlichen Höchsttemperaturen höhere Konzentrationen an Schimmelpilzen und auch Aspergillus fumigatus messbar, der ansonsten nur selten nachgewiesen werden konnte.

Ein Anstieg der Exposition bei einer Verlängerung der Behälterstandzeit von 7 auf 14 Tage konnte für die Bakterien und Aspergillus fumigatus signifikant nachgewiesen werden, wobei der Anstieg im Mittel innerhalb einer Zehnerpotenz erfolgte. Eine weitere Standzeitverlängerung auf 28 Tage (bei Restmüll und DSD-Abfall) brachte keine weitere Erhöhung mit sich.

Bei der Untersuchung der Biotonne mit Biofilterdeckel als spezielles Sammelsystem konnte unter realen Arbeitsbedingungen kein Unterschied in der Höhe der Exposition im Vergleich zu einem konventionellen Behälter festgestellt werden. Im standardisierten Versuch wurden signifikant niedrigere Expositionswerte bei A. fumigatus ermittelt, wobei die Differenz innerhalb einer Zehnerpotenz lag.

Ein deutlich positiver Effekt wurde bei den Feldmessungen bei Ladung mittels Automatikschüttung ermittelt. Diese Technik wird auch als Hauptursache für die im Hauptuntersuchungsgebiet im Vergleich zu anderen Gebieten vergleichsweise niedrigen Expositionswerte angenommen. Bei direkten Vergleichsmessungen zwischen Emission und Immission von Schimmelpilzen lagen die Immissionswerte bei dieser Arbeitstechnik aufgrund des größeren Abstandes zur Schüttung und der kürzeren Expositionszeit und mindestens den Faktor 10 niedriger. Voraussetzung für eine effektive Nutzung dieser Technik ist sowohl ein ausreichend bemessenes Behältervolumen (keine Verpressungen) als auch ein geringer Anteil an 1,1 m³-Behältern.<br/>Eine regelmäßige Reinigung der Fahrzeugschüttung und der Fahrerkabine kann ebenfalls zu den niedrigeren Werten im Hauptuntersuchungsgebiet beigetragen haben; diesem Aspekt ist noch detaillierter nachzugehen.

Bei den arbeitsmedizinischen Untersuchungen wurde nur eine geringe Anzahl an erkrankten Beschäftigten ermittelt. Ein Zusammenhang zwischen Keimexposition und Gesundheitszustand der Müllwerker als Grundlage für die Erstellung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung ist auf Grund der fehlenden gesundheitlichen Auffälligkeiten nicht abzuleiten.

Die lungenfunktionsanalytisch ermittelten Beeinträchtigungen konnten in allen Fällen auf Nikotinkonsum zurückgeführt werden. Die untersuchten Blutwerte wiesen nur in wenigen Fällen geringfügige Über- oder Unterschreitungen der Sollwertgrenzen auf, die keinen Hinweis auf das Vorliegen schwerer akuter Infektionen, allergischer oder hämatologischer Erkrankungen ergaben. Gruppenunterschiede zeigten sich nicht.

Eine Sensibilisierung gegen Inhalationsallergene konnte in 62 Fällen (28%) nachgewiesen werden. Bei der Bestimmung des Gesamt-IgE und spezifischen IgG gegen "Schimmelpilz-Mix" und Aspergillusfumigatus lagen ebenfalls keine signifikanten Gruppenunterschiede vor.

Im Vergleich der beiden unterschiedlichen Probandengruppen (Bioabfall-/Nicht-Bioabfall-Exponierte) ergaben die Befunde keinen Hinweis darauf, dass die Bioabfallsammlung im Vergleich zur Rest-oder Hausmüllsammlung mit höheren gesundheitlichen Risiken für den Müllwerker verbunden ist.

Auf der Grundlage aller Untersuchungsergebnisse wurden Empfehlungen im Hinblick auf mögliche Schutzmaßnahmen sowie die arbeitsmedizinische Vorsorge erarbeitet.

Weitere Informationen

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https://www.bmuv.de/DL924

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