Secondhand, Vintage, Refurbished – Gebraucht einkaufen

11.05.2022

Viele Menschen verbinden mit Secondhand einen nachhaltigen Lebensstil. Aber ist Gebrauchtes besser für die Umwelt?

Kleidung, Notebooks, Handys – fast die Hälfte der Deutschen haben 2020 mindestens ein gebrauchtes Produkt erworben. Und auch international wächst der Gebrauchtmarkt, vor allem für ehemals sehr teure Kleidungsstücke. 

Ein Grund für diese Entwicklung ist zum einen das sich wandelnde Bewusstsein der Kundinnen und Kunden. Für sie nimmt die Bedeutung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer mehr zu. Zum anderen wurde der Secondhand-Trend von der Corona-Pandemie vorangetrieben. Viele Menschen misteten in den Zeiten von Homeoffice und Homeschooling ihre Wohnung aus. Vor allem Kleidung und Schuhe, Bücher und Möbel wurden gespendet oder weiterverkauft.

Neben Online-Marktplätzen wie eBay oder Amazon-Warehouse gibt es inzwischen auch zahlreiche Dienstleister, die sich auf Secondhand konzentrieren. Dazu gehören auf Elektrogeräte spezialisierte Dienstleister wie Rebuy oder Plattformen für Gebrauchttextilien wie Vinted. Auf gebrauchte Kleider setzen auch bekannte Online-Händler wie Zalando, Modeketten wie H&M oder die Warenhauskette Breuninger.

Durch den Handel mit gebrauchten Waren lässt sich viel Geld verdienen. Und wer gebraucht kauft, zahlt meist deutlich weniger. Aber welchen Unterschied macht es für das Klima und die Umwelt, wenn wir gebraucht statt neu kaufen?
 

Die Folgen unseres Konsums

Unser Konsum belastet Umwelt und Klima. Je wohlhabender die Menschen sind, desto größere Wohnungen haben sie. Sie verfügen über mehr Geräte, reisen häufiger, leisten sich größere Autos und konsumieren immer mehr. 

Gleichzeitig werden viele Produkte nur noch für kurze Zeit genutzt: Elektronische Geräte werden rasch ausgetauscht, Kleidung wird gekauft und kaum getragen. Im Schnitt kauft jede Person in Deutschland pro Jahr 60 neue Kleidungsstücke – Tendenz steigend. Ein Kleidungsstück wird im Schnitt viermal getragen, bevor es aussortiert wird. Während früher die Reparatur von Kleidung noch üblich war, werden Produkte heute meistens neu gekauft. Auch Schuhe werden zur Wegwerfware. Rund 60 Prozent der unter 30-Jährigen hat noch nie ein Paar Schuhe reparieren lassen. 

Die Produktion von Kleidungsstücken ist mit zahlreichen Problemen verbunden. Sie basiert weltweit auf drei Säulen: Billige konventionelle Baumwolle, noch billigere Synthetikfasern auf Erdölbasis und unterbezahlte Arbeitskräfte. Die Produktion von Baumwolle verbraucht sehr viel Wasser und bringt einen intensiven Einsatz von Pestiziden und Chemikalien mit sich. Produziert wird dabei vor allem in Ländern, in denen Abwasser nicht ausreichend behandelt wird und in denen Arbeitsrechte von Millionen Beschäftigten, vor allem Frauen, massiv verletzt werden. 

Auch die Herstellung von Elektrogeräten ist mit zahlreichen Problemen verbunden. Gleichzeitig hat ihre Nutzungsdauer in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Smartphones werden im Schnitt alle zwei Jahre ersetzt. Doch allein für ihre Produktion sind bis zu 60 unterschiedliche Rohstoffe und Materialien notwendig, wie zum Beispiel Gold für die Kontaktstellen oder Lithium für die Batterie. Einige Mineralien werden dabei unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen gewonnen. Auch Kinderarbeit ist hierbei ein Problem. Zudem benötigt jede Produktion Energie. Wenn sie aus fossilen Quellen stammt, trägt das zum Klimawandel bei.

Globale Erwärmung

Wegwerfgesellschaft: Eine Gefahr fürs Klima?

Unser Konsum muss nachhaltiger werden. Ansonsten lassen sich die Klimaschutzziele der Bundesregierung zur Begrenzung der globalen Erwärmung nicht erreichen. Aktuell betragen die Treibhausgas-Emissionen für die Herstellung von Möbeln, Textilien und anderen Gütern in Deutschland pro Kopf und pro Jahr 3,8 Tonnen. Um die internationalen Klimaschutzziele zu erreichen, muss allerdings der gesamte persönliche CO2-Fußabdruck auf eine Tonne Treibhausgase jährlich reduziert werden. Dieser umfasst neben dem Konsum von Gütern auch die Bereiche Mobilität, Ernährung, Wohnen, Strom und öffentliche Infrastruktur.

Für den persönlichen CO2-Fußabdruck ist das private Konsumverhalten entscheidend. Je mehr man konsumiert, desto höher steigen die CO2-Emissionen. Hier spielt vor allem das Einkommen eine entscheidende Rolle. So verursachen die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Mit dem Trend zur Konsumgesellschaft steigt auch die Zahl ungenutzter Produkte in den Haushalten. Im Schnitt liegen pro Haushalt 1.289 Euro in Form ungenutzter Dinge herum. Das sind vor allem alte DVDs, CDs, Bücher, Kleidungsstücke und Elektrogeräte. Es sind aber auch oft Produkte, die von anderen Menschen noch genutzt werden könnten.

Gut fürs Klima

Gebrauchtes statt Neues kaufen

Nachhaltig ist es, ein Produkt möglichst lange zu nutzen. Wenn man gebraucht kauft, bleibt das Produkt länger im Nutzungskreislauf. Dadurch entfällt der Produktionsaufwand für ein neues Gerät. Wird etwa ein Smartphone wiederverwendet, können 14 Kilogramm Rohstoffe und 58 Kilogramm Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. 

Eine Umfrage des Wuppertal-Instituts aus dem Jahr 2020 zeigt, dass zwei Drittel der Befragten die Verwendung gebrauchter Produkte für die Umwelt für gut halten. Fast jede und jeder Zweite kann sich vorstellen, künftig öfter gebraucht zu kaufen, um die Umwelt zu schonen. Am liebsten werden dabei gebrauchte Bücher, CDs oder DVDs, Fahrzeuge, Antiquitäten sowie Dekoration und Möbel erworben.

Zu den wichtigsten Vorteilen von gebrauchten Konsumgütern zählt für die Befragten der geringere Kaufpreis im Vergleich zur Neuware. Der geringere Ressourcenverbrauch ist für sie der zweitwichtigste Grund. Auch der Verkauf bietet für die Befragten viele Vorteile: Ein Argument ist, dass das Produkt für andere noch einen Wert haben könnte. Zudem sehen viele im Verkauf gebrauchter Dinge eine zusätzliche Einnahmequelle. Ebenso ist ihnen wichtig, den Produktlebenszyklus der Gegenstände zu verlängern.

Zu den größten Hürden zählt für die Befragten der Zeitaufwand. Manche haben auch Angst davor, beim Privatkauf betrogen zu werden.

Politik und Wirtschaft

Nachhaltiges Kaufen fördern

Die Anschaffung gebrauchter Waren ist preisgünstiger und nachhaltiger als der Neukauf. Jedoch gibt es Produktgruppen, bei denen Käuferinnen und Käufer besonders vorsichtig sind. Eine besondere Abneigung bringen sie laut der Wuppertal-Studie dem Gebrauchtkauf von Kleidung, Schuhen oder Accessoires und elektronischen Geräten wie Smartphones oder auch Kühlschränken entgegen.

Anbieter und Anbieterinnen haben darauf reagiert: Im Textilsektor fokussieren sich die erfolgreichen Plattformen auf höherwertige Kleidung, sodass Kundinnen und Kunden von einem klaren Preisvorteil profitieren können. Im Bereich elektronischer Geräte bieten Verkaufsplattformen unterschiedlich lange Händlergarantien für Gebrauchtgeräte sowie Versicherungen an.

Zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens haben Online-Plattformen zudem Bewertungssysteme installiert, über die kaufende und verkaufende Parteien etwa Sterne vergeben und Kommentare schreiben können.

Derzeit wird eine bundesweite Dachmarke für Kooperation und Qualität in Second-Hand-Läden und Gebrauchtwarenhäusern aufgebaut. Sie soll den Unternehmen eine Zertifizierung und Qualitätssicherung ermöglichen, womit das Vertrauen der Kundinnen und Kunden gestärkt werden soll. Das Projekt "Re-Use Deutschland" wird vom Umweltministerium Nordrhein-Westfalen im Rahmen seiner Umweltwirtschaftsstrategie gefördert.

Wesentlich für den Verkaufswert von Produkten ist ihre Reparierfähigkeit, weshalb der Verbraucherschutz und Umweltverbände schon lange ein "Recht auf Reparatur" fordern. Das bedeutet, dass die Produkte so produziert und vertrieben werden müssen, dass sie einfacher repariert werden können. Das betrifft die Reparaturkosten einerseits und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen andererseits. Das Bundesumweltministerium fordert auf EU-Ebene ebenfalls einen Reparaturindex. Darüber hinaus setzt sich das Ministerium dafür ein, dass Reparaturanforderungen nicht nur für bestimmte Produkte gelten sollen, sondern für so viele Produkte wie möglich.

Lösungen

Was kann ich selbst tun?

Du kannst selbst die Umwelt schützen, indem du gebrauchte Sachen an andere weitergibst: zum Beispiel durch Verkaufen, Tauschen, Verschenken oder Spenden. Alte Smartphones in der Schublade oder ungeliebte Kleidung im Schrank sind für andere vielleicht noch nützlich.

Beim Kauf neuer Waren kannst du zunächst überlegen, ob du sie wirklich benötigst. Wenn ja, dann achte darauf, dass die Produkte so hergestellt sind, dass sie möglichst lange genutzt werden können. Dazu gehören bei elektronischen Geräten beispielsweise die Reparatur- und Upgrade-Fähigkeit. Bei Kleidung kannst du auf die verarbeiteten Materialien achten. Je höher deren Qualität ist, umso höher ist der Wiederverkaufswert und damit die Chance, dass du die Kleidungsstücke gebraucht weiterverkaufen kannst. Außerdem kannst du Produkte über Secondhand-Plattformen erwerben. Das spart Geld und Ressourcen.

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