Wenn das Wasser kommt: Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels

12.12.2022

Hochwasser treten vielerorts immer häufiger auf. Eine Ursache ist der Klimawandel. Wie kann man sich dagegen schützen?

Überschwemmungen und Sturzfluten verursachten in den vergangenen Jahrzehnten weltweit große Schäden. Im Juli 2021 führte Starkregen in West- und Mitteleuropa zu einer Hochwasserkatastrophe mit verheerenden Zerstörungen. In Deutschland starben dabei über 180 Menschen. Die Reparatur der entstandenen Schäden gehen in die Milliarden. Bereits in den Jahren 2002, 2006 und 2013 traten in Deutschland schwere Hochwasserkatstrophen auf.

Extremereignisse wie Starkregenfälle und damit einhergehende Überschwemmungen werden laut des aktuellen Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC weltweit häufiger und intensiver, je mehr die Klimaerwärmung voranschreitet. Überdies ist auch mit längeren Trockenphasen und Dürren zu rechnen, die sich ebenso auf die Hochwassergefahr auswirken. Wenn nach längerer Trockenheit endlich Regen fällt, kann der ausgetrocknete Boden das Regenwasser nur langsam aufnehmen. In der Folge läuft bei starken Regenfällen viel Wasser an der Oberfläche ab: das Risiko für Überschwemmungen steigt. Auch werden immer mehr Flächen durch Gebäude und Straßen versiegelt. Dadurch wird die natürliche Versickerung von Regenwasser zusätzlich erschwert. 

Einfache technische Hochwasserschutzmaßnahmen wie der Ausbau und die Erhöhung von Dämmen stellen oft keine ausreichenden Lösungen dar. Sie müssen mit natürlichen Maßnahmen verknüpft werden, um einen nachhaltigen Hochwasserschutz zu gewährleisten. Dabei handelt es sich allerdings um eine Aufgabe mit viel Konfliktpotenzial.

Hochwasserschutz

Warum reichen technische Maßnahmen nicht aus?

Hochwasser können große Schäden anrichten. Sie gefährden Menschenleben und stellen eine extreme psychische Belastung für Geschädigte dar. Sie zerstören Gebäude und Straßen, deren Wiederaufbau oder Reparatur hohe Kosten verursacht. Große Umweltschäden entstehen, wenn etwa die Kanalisation überlastet wird und Abwasser ungefiltert in das Umfeld fließen kann. Das geschah zum Beispiel während der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 an der Ahr. Damals ergoss sich auch das Öl geborstener Heizöltanks aus Privathaushalten in die Straßen, das verschmutzte Wasser spülte über Felder und Auen. Dazu kamen Dünge- und Pflanzenschutzmittel aus den Lagern der Landwirt*innen sowie Chemikalien aus Werkstätten und Produktionshallen. Entsprechend hoch waren die ökologischen Schäden. Die Aufräumarbeiten waren mit gesundheitlichen Belastungen verbunden. 

Um sich gegen Hochwasser zu schützen, können Flüsse befestigt und Deiche gebaut, mobile Wände genutzt und die Kanalisation an den erwarteten Wasserdurchfluss angepasst. Diese Maßnahmen zählen zu einem technischen Hochwasserschutz. Jedoch stößt dieser Ansatz mehr und mehr an seine Grenzen: So ist es aus wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Gründen oft nicht sinnvoll immer höhere Deiche zu bauen. Natürliche Maßnahmen können darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten. 

Natürliche Maßnahmen geben die Möglichkeit, die Gebiete flussabwärts vor Überflutung zu schützen, zum Beispiel durch sogenannte Flutpolder. Das sind große, von Deichen umgebene Flächen, die bei einem extremen Hochwasser gezielt geflutet werden können. Sie halten die Wassermengen der Hochwasserwelle zurück und geben sie später langsam wieder in den Fluss ab. 

Entlang von Küsten und Flüssen gibt es wertvolle Ökosysteme, die geschützt werden müssen. Der Bau technischer Hochwasserschutzmaßnahmen geht jedoch meist mit starken Umweltauswirkungen einher. Deiche zum Beispiel trennen Flüsse von ihren natürlichen Überschwemmungsgebieten ab. Das hat unter anderem Auswirkungen auf die Wiesen und Auwälder an den Ufern von Flüssen, also die ökologisch wertvollen Auenlandschaften.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, die technischen Maßnahmen durch natürliche Maßnahmen zu ergänzen, um einen nachhaltigen Hochwasserschutz zu erreichen. 

Nachhaltiger Hochwasserschutz

Flüsse benötigen mehr Raum

Ein Kernelement des nachhaltigen Hochwasserschutzes ist es, naturnahe Überschwemmungsflächen wiederherzustellen und Auen zu renaturieren. Solche Flächen nennt man Retentionsflächen. Sie können das Wasser zwischenspeichern, in der Fläche zurückhalten und so den Verlauf einer Hochwasserwelle dämpfen. Renaturierte Auen erbringen neben dem wichtigen Hochwasserschutz auch weitere wichtige Ökosystemleistungen: Sie bieten Lebensraum für verschiedene Tier- und Pflanzenarten, sind Wasserspeicher und Kohlenstoffsenke. 

Um diese natürlichen Rückhalteflächen wiederherzustellen, müssen zum Teil Flächen entsiegelt und sogar Deiche zurückverlegt werden. Allerdings kann man nicht überall alle natürlichen Überflutungsgebiete freigeben. Viele Gebiete sind dicht besiedelt: Gut ein Drittel der überflutbaren Auen sind heute bebaut oder werden als Ackerflächen genutzt. An den großen Strömen wie Rhein, Elbe, Donau und Oder sind sogar nur noch 20 Prozent der natürlichen Überschwemmungsflächen vorhanden. 

Ein weiterer Aspekt des nachhaltigen Hochwasserschutzes ist die Bau- und Flächenvorsorge. Während durch Deiche, Polder und Auen die Gefahr eines Hochwassers reduziert wird, versucht die Bauvorsorge Schäden an Gebäuden vorzubeugen und hochwasserangepasst zu bauen. Bei der Flächenvorsorge wird die Entwicklung von Siedlungen vorausschauend mit Blick auf den Hochwasserschutz geplant. So können für bestimmte Flächen die Bebauung und Flächennutzung eingeschränkt werden, um diese als Überschwemmungsgebiete bereitzustellen. 

Ein nachhaltiger Hochwasserschutz bezieht ökologische, ökonomische und soziale Aspekte ein. Das bedeutet, dass bei der Planung und Umsetzung unterschiedliche Interessen beachtet werden müssen. Allerdings können unterschiedliche Interessen miteinander in Konflikt geraten. Beispielsweise können Naturschutz und Landwirtschaft oder Anwohner*innen und Industrie unterschiedliche Ansichten haben. Deshalb ist eine Beteiligung aller Betroffenen sehr wichtig.

Zusätzlich ist eine weitreichende Risikokommunikation für alle Beteiligten wichtig: Menschen müssen rechtzeitig über Risiken informiert und auf ein Hochwasser vorbereitet werden. Dazu gehören Hochwasservorhersagen und Frühwarnsysteme.

Gesetzliche Regelungen

Was wird bereits getan?

Verschiedene Akteure sind im Rahmen des Hochwasserrisikomanagements verantwortlich, einen nachhaltigen Hochwasserschutz umzusetzen – nicht nur in den Kommunen, den Ländern, im Bund, sondern auch grenzüberschreitend mit den Nachbarländern Deutschlands. Denn Hochwasser an Flüssen wie Weser, Rhein, Oder, Elbe oder Donau machen an den Grenzen nicht halt.

Seit 2007 regelt die Hochwasserrisikomanagementrichtlinie der Europäischen Union einheitlich, wie in Europa Hochwasserrisiken verringert werden können. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes legt fest, dass die Bundesländer im Wesentlichen für die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen gegen Hochwasser verantwortlich sind. So muss alle sechs Jahre das Hochwasserrisiko von Flüssen geprüft und Hochwasserkarten und Managementpläne erstellt oder aktualisiert werden. 

In Deutschland gibt es seit 2014 zudem das Nationale Hochwasserschutzprogramm von Bund und Ländern. Das Programm sieht verschiedene überregionale Schutzmaßnahmen vor, wie etwa Überschwemmungsflächen flussaufwärts, um das Hochwasserrisiko flussabwärts zu reduzieren. 

Die Akteure vor Ort spielen eine besonders wichtige Rolle beim Hochwasserschutz. Sie kennen sich vor Ort gut aus und können zum Teil besser einschätzen, wie sich bestimmte Maßnahmen auf die Situation vor Ort auswirken. Denn nur mit ausreichender Ortskenntnis lassen sich die passenden Vorkehrungen treffen. 

Stadtplanung

Idee einer "Schwammstadt"

Manche Städte, Länder und Kommunen integrieren in ihren Hochwasserschutzkonzepten auch Maßnahmen für eine sogenannte "Schwammstadt". Damit bezeichnet man vereinfacht eine Stadt, die wie ein Schwamm Regenwasser aufsaugt und wieder abgibt, wenn Wasser benötigt wird. Wichtige Elemente, damit das Wasser gespeichert wird, sind zum Beispiel bepflanzte Dächer und Fassaden sowie Versickerungsmulden, aber auch mehr Parks, Grünflächen und Feuchtgebiete, die zur Not als Überflutungsfläche dienen. Teilweise werden versiegelte und bebaute Flächen entsiegelt, sodass sie wieder Wasser aufnehmen können. 

Was kann ich selbst tun?

Informieren und Vorsorgen

Ein Problem der Vorsorge für Hochwasser besteht in der schweren Vorhersehbarkeit: Starkregen und Überschwemmungen können nicht für einen längeren Zeitraum und ortsgenau vorhergesagt werden. Dadurch wird die Planung von passgenauen Vorsorgemaßnahmen erschwert. 

Neben den verschiedenen Hochwasserschutzmaßnahmen ist daher zusätzlich jede und jeder Einzelne gefragt, sich selbst zu informieren: Lebe ich in einem Hochwasserrisikogebiet? Gibt es aktuelle Hochwasserwarnungen? Welche Maßnahmen gibt es, um meine Wohnung, mein Haus oder meinen Garten gegen Hochwasser zu schützen? 

Aber auch in anderen Situationen, wie beim Campingurlaub am Flussufer, sollte die Hochwasservorsorge bedacht werden. Dazu kann man die entsprechenden Informationen von lokalen Behörden einholen oder sich über eine Wetter-App beziehungsweise die Internetseite des Länderübergreifenden Hochwasserportals informieren.

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