Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur

Frei fließender Fluss im Wald: die Schwärze bei Eberswalde.

Hintergrund

Artenreiche blühende Wiese mit Schmetterling

Naturnahe Wälder, frei fliessende Flüsse, intakte Moore, lebendige Agrarlandschaften und gesunde Meere bilden unsere Lebensgrundlage. Diese Ökosysteme erzeugen Sauerstoff, reinigen Luft und Wasser, binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und regulieren das Klima der Erde. Sie sind unser Lebens- und Erholungsraum und sichern uns Nahrung, Rohstoffe und Einkommen. Intakte Ökosysteme helfen uns beim Kampf gegen die Klimakrise und sind unser Schutzschirm gegen Naturkatastrophen wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen. Ihre lebenswichtigen Funktionen können sie aber nur erfüllen, wenn sie gesund sind.

Doch der Klimawandel, der Verlust der biologischen Vielfalt und die nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zählen zu den größten Bedrohungen für die Gesellschaft und Wirtschaft der Länder in der Europäischen Union (EU) in den kommenden Jahrzehnten. Die Lage der Natur ist dramatisch: Selbst von den europäisch geschützten Lebensräumen waren EU-weit bereits 2018 81 Prozent in schlechtem Zustand.

Gleichzeitig hängen nach offiziellen Beschäftigungsstatistiken des Europäischen Parlaments von 2019, allein in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion EU-weit rund 13,3 Millionen Beschäftigte direkt und indirekt von intakten Ökosystemen ab. Auch für viele weitere Wirtschaftssektoren bildet eine gesunde Natur die Existenzgrundlage. Bisherige Anstrengungen konnten den Rückgang der gefährdeten Lebensraumtypen und das Aussterben vieler Arten nicht stoppen. Deshalb ist es notwendig, neue EU-weite Ansätze zu verfolgen, die es ermöglichen, unsere Lebensgrundlagen wirksam zu sichern. Mit der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (WVO) steht nun erstmals ein Instrument bereit, das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, geschädigte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand zu bringen, den Verlust der Artenvielfalt aufzuhalten und darüber hinaus eine Trendumkehr zu erreichen. Dafür gibt die WVO klare Ziele und Fristen vor.

Handlungsbedarf

Steinkauz in einer Baumhöhle

Europäische Ökosysteme stehen unter wachsendem Druck und leiden unter vielfältigen Stressoren wie den Auswirkungen des Klimawandels, der Aufgabe extensiver Landwirtschaft beziehungsweise der Intensivierung der Bewirtschaftung, Veränderungen im Wasserhaushalt und der Einbringung oder Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten. Sie führen zur Degradierung und zum Verlust von Ökosystemen. Über 80 Prozent der geschützten Moore befinden sich laut Europäischer Kommission in einem schlechten und unzureichenden Erhaltungszustand. Wissenschaftliche Untersuchungen der Internationalen Gruppe zur Erhaltung der Moore (IMCG) schätzen, dass etwa 50 Prozent der Moorfläche in der EU für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sowie für den Torfabbau entwässert sind. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) berichtet zur biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen in Europa, dass nicht nur die Populationen von Insekten, sondern auch 60 Prozent der Amphibien und 71 Prozent der Fische drastisch zurückgegangen sind. Viele Wälder sind von langen Trockenperioden und der Zunahme von Schädlingen betroffen und die Meeresökosysteme leiden unter Übernutzung, Klimawandel, Artenschwund, Umweltverschmutzung und invasiven Arten.

Auch in Deutschland ist der Zustand der Artenvielfalt alarmierend: Auf den Roten Listen werden ein Drittel der bewerteten Arten als bestandsgefährdet oder bereits ausgestorben geführt. Besonders gravierend ist der Rückgang der bestäubenden Insekten. Fast die Hälfte aller Wildbienenarten ist gefährdet und mehr als ein Drittel der Schwebfliegenarten in Europa ist vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig hängen fast 90 Prozent der wildblühenden Pflanzen von Insektenbestäubung ab, unterstreicht die deutsche Koordinierungsstelle des Weltbiodiversitätsrates (IPBES). Der starke Rückgang der Bestäuber gefährdet somit auch unmittelbar die Ernährungssicherung der Menschen in der EU.

In seinem Sechsten Sachstandsbericht warnt der Weltklimarat (IPCC) bereits 2020, dass sich die Natur, selbst bei einer Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 °C (Grad Celsius), nur schwer anpassen kann und das Risiko für den weiteren Verlust von Arten und den damit verbundenen Lebensgrundlagen besteht. Umgekehrt wirken intakte Wälder, Feuchtgebiete, Auen und Moore als natürliche Klimaschützer. Sie speichern Wasser bei Trockenheit, nehmen Hochwasser bei Überflutungen auf, regulieren die Temperaturen in ihrer Umgebung und wirken als bedeutende Kohlenstoffsenken.

Umsetzung des internationalen Rechts

Auenlandschaft im unteren Sächsischen Elbtal bei Höhbeck

Seit 2020 verfolgt die Bundesregierung die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, die darauf zielt, dass sich die biologische Vielfalt in Europa bis 2030 auf dem Weg der Erholung befindet. Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gehört zu ihren Kernelementen. Damit ist die WVO essenzieller Bestandteil des europäischen Green Deal mit seiner ambitionierten Umwelt-, Naturschutz-und Klimapolitikmit dem unter anderem bis 2050 Klimaneutralität erreicht werden soll.

Im Dezember 2022 hat sich die EU, im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD), mit der Unterzeichnung des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal (GBF) unter anderem dazu bekannt, seine Ökosysteme wiederherzustellen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Darüber hinaus fordert die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030) dazu auf, weltweit den Verlust und die Degradierung von Ökosystemen zu verhindern, aufzuhalten und umzukehren. Sie unterstützt die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die UN-Konventionen zur biologischen Vielfalt (CBD), zum Klimawandel (UNFCCC) und zur Wüstenbekämpfung (UNCCD).

Mit der WVO geht die EU bei der Umsetzung dieser internationalen Abkommen voran, indem sie einen konkreten Zeitrahmen und ausdifferenzierte und messbare Zwischenziele und Ziele vorgibt.

Ziele und Maßnahmen

Neuntöter Lanius collurio sitzt auf einem Zweig

Übergeordnetes Ziel der WVO ist die kontinuierliche Erholung der Natur, insbesondere die Erhöhung der Artenvielfalt und der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme sowie die Erfüllung der Klimaschutzziele und der internationalen Vereinbarungen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen und Maßnahmen festzulegen und zu ergreifen. Die WVO baut auf bestehenden EU-Richtlinien zum Naturschutz, wie der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie, auf und verleiht deren Umsetzung mit klaren Zeit- und Flächenvorgaben neuen Schub und unterstützt damit auch die Umsetzung von EU-Gewässerschutz-Richtlinien. So nutzt die WVO beispielsweise viele bereits etablierte Indikatoren aus bestehenden EU-Umweltschutzgesetzgebungen in der Fortschrittsbeobachtung, geht aber gleichzeitig in ihrer Zielsetzung und Ambition über die bestehende Gesetzgebung hinaus.

Das übergreifende Ziel der WVO ist es, bis 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und mindestens 20 Prozent der Meeresfläche der EU, die der Wiederherstellung bedürfen, Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen. Bis 2050 sollen alle Ökosysteme mit Maßnahmen abgedeckt sein, die der Wiederherstellung bedürfen. Dabei sollen auch Maßnahmen bei der Umsetzung anderer Richtlinien, wie der Wasserrahmenrichtlinie, der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie oder der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie berücksichtigt werden.

Umsetzung – nationale Wiederherstellungspläne und Finanzierung

 Blick über das Himmelmoor auf eine wiederbewässerte ehemalige Torf-Abbaufläche in Quickborn, Schleswig-Holstein.

Zentrales Instrument zur Umsetzung der WVO sind die nationalen Wiederherstellungspläne, die alle Mitgliedstaaten erstellen müssen. In den nationalen Wiederherstellungsplänen formulieren die Staaten die Maßnahmen und finanziellen Mittel, mit denen sie die Ziele der WVO erreichen wollen und in welchem Zeitrahmen.

Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz stehen in Deutschland bis 2027 3,5 Milliarden Euro unter anderem für Wiederherstellungsmaßnahmen und Anreize für klimafreundliche und naturverträgliche Bewirtschaftungsformen zur Verfügung.

Zusätzlich erstattet die Europäische Kommission ein Jahr nach dem Inkrafttreten der WVO Bericht über die auf EU-Ebene verfügbaren Finanzmittel, den Finanzierungsbedarf und mögliche Finanzierungslücken. In diesem Bericht macht die Kommission gegebenenfalls Vorschläge für eine angemessene Finanzierung, und prüft wenn erforderlich auch die Möglichkeit der Einrichtung eines zweckgebundenen Instruments.

Inkrafttreten der Verordnung und die Rolle des BMUV

Am 22. Juni 2022 hat die Europäische Kommission ihren Legislativvorschlag zur Wiederherstellung der Natur veröffentlicht. Nach einem intensiven Trilogverfahren zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament konnten sich die jeweiligen Verhandlungsführerinnen und Verhandlungsführer am 9. November 2023 auf einen Kompromisstext einigen. Nachdem am 27. Februar 2024 das Europäische Parlament und im Nachgang auch der Rat der EU der Einigung final zugestimmt haben, tritt die WVO 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in allen Mitgliedsstaaten in Kraft.

Innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten werden die Mitgliedstaaten den Entwurf des Wiederherstellungsplans für den Zeitraum bis 2032 der Europäischen Kommission zur Prüfung vorlegen. Die Fertigstellung des ersten Entwurfs ist für das zweite Quartal 2026 vorgesehen und der finale nationale Wiederherstellungsplan dann nach Rückmeldung durch die Kommission und der Einarbeitung dieser Rückmeldung 2027 fällig. Der nationale Wiederherstellungsplan wird federführend vom BMUV erarbeitet.

Inhalt der WiederherstellungsVO – Was steht wo?

Stand: 18.03.2024

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