Das Gesetz fordert abgestimmte Notfallpläne zwischen Bund und Ländern. Zukünftig wird es drei Arten von Notfallplänen geben und zwar
- den allgemeinen Notfallplan des Bundes,
- die besonderen Notfallpläne des Bundes sowie
- die allgemeinen und besonderen Notfallpläne der Länder.
Daneben gibt es für Atomkraftwerke oder andere Anlagen mit besonderem Gefahrenpotential weiterhin Sonderschutzpläne, sogenannte externe Notfallpläne, der zuständigen Landesbehörden. Diese ergänzen dann die allgemeinen und besonderen Pläne von Bund und Ländern unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten und der Vorkehrungen des Betreibers. Die Notfallpläne sollen die an der Notfallreaktion beteiligten Organisationen in die Lage versetzen, im Notfall unverzüglich abgestimmte Entscheidungen zu treffen und die angemessenen Maßnahmen rechtzeitig durchzuführen.
Alle Notfallpläne haben als gemeinsame Grundlage Referenzszenarien, die im allgemeinen Notfallplan des Bundes festgelegt werden. Diese Szenarien decken sowohl Kernkraftwerksunfälle im In- und Ausland als auch Ereignisse mit eher regionalen Auswirkungen, wie z. B. Transportunfälle, ab. Zudem sollen die Notfallpläne Hinweise auf die Behördenzuständigkeiten in Bund und Ländern für die Bewältigung der betrachteten Ereignisse geben.
Ein wesentlicher Bestandteil des allgemeinen Notfallplans des Bundes sind optimierte Schutzstrategien, die spezifisch für die einzelnen Referenzszenarien dargestellt werden. Jede Schutzstrategie macht Aussagen zu Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Einsatzkräfte, die beim jeweiligen Szenario in Betracht kommen, sowie zu Dosis- und Kontaminationswerten, die als radiologisches Kriterium für die Angemessenheit dieser Schutzmaßnahmen dienen.
Den besonderen Notfallplänen des Bundes liegt als neuer zentraler Gedanke der sogenannte Verzahnungsansatz zugrunde. Danach sollen Bundesressorts und Fachbehörden, die im Alltagsgeschäft beim Vollzug von Bundesgesetzen Aufgaben der Gefahrenabwehr in einem bestimmten Lebens- oder Wirtschaftsbereich wahrnehmen, diese Verantwortung und Zuständigkeit grundsätzlich auch bei radiologischen Notfällen behalten. Die etablierten und erprobten Organisationsprinzipien, Verwaltungsstrukturen, Einrichtungen und Vorhaltungen des Katastrophenschutzes und der Gefahrenabwehr, die sich bei anderen vom Menschen verursachten schweren Unglücksfällen, bei Naturkatastrophen oder z. B. Lebensmittelkrisen auch in der Praxis bewährt haben, sollen gleichermaßen für den radiologischen Notfallschutz genutzt werden, um eine praktikable Integration des radiologischen Notfallschutzes in das komplexe System des Bevölkerungsschutzes zu erreichen.
Die gleiche Systematik wie auf der Bundesebene soll auch auf der Länderebene angewandt werden. Die allgemeinen und besonderen Notfallpläne der Länder konkretisieren und ergänzen die Notfallpläne des Bundes. Auch ihr Aufbau wird möglichst der Systematik der Bundespläne folgen. Hierdurch wird zum einen die Abstimmung der Pläne erleichtert und zum anderen ein koordiniertes Handeln unterstützt.
Die bisherigen Grundlagen für die Notfallvorsorge und -reaktion wie z. B. die "Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden", die "Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen", die "Empfehlungen zu medizinischen Maßnahmen, speziell bei Kernkraftwerksunfällen" oder der "Maßnahmenkatalog" werden inhaltlich weiter Verwendung finden. Diese Empfehlungen der Strahlenschutzkommission werden in die Notfallpläne des Bundes einfließen, und ihre Inhalte dadurch auf eine formelle rechtliche Ebene gehoben. Da die Notfallpläne des Bundes von der Bundesregierung als all-gemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden, sind sie in Zukunft für alle Behörden, die an der Notfallbewältigung beteiligt sind, verbindlich.
Das Strahlenschutzgesetz sieht die Einrichtung eines radiologischen Lagezentrums des Bundes vor. Bislang mussten sowohl die Länder für die Zwecke des Katastrophenschutzes und der Bund für seine überregionalen Maßnahmen der Strahlenschutzvorsorge jeweils eigene Lagebilder erstellen. Vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der kommerziellen Nutzung der Kernenergie und dem damit verbundenen Abbau von Kapazitäten des nuklearen Notfallschutzes in den Ländern kommt dem Lagezentrum zukünftig eine herausgehobene Bedeutung zu.
Aufgabe des Lagezentrums wird primär sein, in einem Notfall für ganz Deutschland und angrenzende Gebiete ein großräumiges Lagebild, das sogenannte einheitliche radiologische Lagebild, zu erstellen, das sowohl die aktuelle Situation beschreibt als auch Aussagen zur vermuteten zukünftigen Entwicklung macht. Das Lagebild wird insbesondere auch darstellen, für welche Gebiete eine Überschreitung der Dosis- oder Kontaminationswerte zu befürchten ist, die im allgemeinen Notfallplan des Bundes für bestimmte Schutzmaßnahmen festgelegt sind. Die Entscheidung, in welchen Gebieten die jeweils in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden können und sollen, bleibt dem Ermessen der zuständigen Behörden der Länder überlassen, da beim operativen Krisenmanagement neben den radiologischen Gesichtspunkten noch weitere Aspekte zu bedenken sind, über die länderseitig detailliertere Informationen vorliegen.
Über die Erstellung des einheitlichen radiologischen Lagebildes hinaus hat das radiologische Lagezentrum des Bundes auch Koordinierungs- und Meldeaufgaben. Dazu gehört z. B. die Koordinierung von Messungen von Bund und Ländern zur Umweltradioaktivität, die Funktion als Ansprechpartner für Behörden im In- und Ausland und für internationale Organisationen und die Information der Bevölkerung in Notfällen, die unterhalb der Schwelle des Katastrophenschutzes bleiben.
Es ist geplant, das radiologische Lagezentrum des Bundes in Form eines räumlich verteilten Netzwerks aufzubauen, dessen Kopfstelle beim Bundesumweltministerium eingerichtet wird. Wesentliche Bestandteile des Netzwerks werden die Notfallorganisationen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), der Krisenstab des Bundesumweltministeriums und der Krisenstab der Strahlenschutzkommission sowie das Lagezentrum des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als zusätzliche Schnittstelle für die Kommunikation mit den zuständigen Länderbehörden in Krisenfällen sein. Erste Schritte zum Aufbau des Lagezentrums wurden bereits eingeleitet.