Gegen die Verschwendung: Lebensmittel retten!

15.06.2021

Große Mengen Lebensmittel werden nicht verzehrt, sondern weggeworfen. Wie kommt es dazu, und was kann man dagegen tun?

 Weltweit wird ein Drittel der produzierten Lebensmittel nie verzehrt, schätzt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Ein Teil davon wird weggeworfen. Und ein weiterer Teil geht auf dem Weg von der Landwirtschaft zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern verloren, zum Beispiel, wenn Lebensmittel bei der Lagerung verderben.

Das belastet die Umwelt und das Klima. Denn für die Herstellung und den Transport der nicht verzehrten Lebensmittel werden unnötig Energie, Wasser und Flächen eingesetzt. Außerdem werden Dünge- und Pflanzenschutzmittel verwendet. Schätzungen gehen davon aus, dass acht bis zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit Lebensmittelverlusten und -abfällen stehen.

Außerdem ist es ein großes ethisches Problem, wenn enorme Mengen an Lebensmitteln zu Abfall werden. Denn gleichzeitig hungern derzeit rund 690 Millionen Menschen weltweit.

Das Bewusstsein für das Problem ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. So sorgten Dokumentarfilme wie "Taste the Waste" oder "Wasted" international für Aufmerksamkeit. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Medienberichte über Initiativen wie Foodsharing oder auch Aktionen wie "Containern".

Dennoch ist häufig nicht bekannt, dass insgesamt mehr als die Hälfte der Lebensmittelabfälle in Deutschland in privaten Haushalten anfallen. Dabei ist es in kaum einem anderen Bereich so leicht, Abfälle zu vermeiden.

Ressourcenverbrauch

Warum sind Lebensmittelabfälle ein Umweltproblem?

Die Produktion von Lebensmitteln beeinflusst Ökosysteme, das Klima und unsere Gesundheit. Besonders belastend ist der Fleischkonsum, der weltweit steigt. Kaum ein Lebensmittel benötigt bei seiner Produktion so viel Fläche und solche Mengen an Wasser. Für den Anbau von Tierfutter werden große landwirtschaftliche Flächen benötigt. Dafür werden immer wieder wertvolle Waldflächen – etwa im Regenwald – gerodet, die zuvor deutlich mehr Kohlendioxid aus der Luft aufgenommen haben, als es die Futterpflanzen tun.

Außerdem trägt die intensive Landwirtschaft zum Rückgang und zur Bedrohung zahlreicher Arten bei. Unter anderem, weil Mittel zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden (Pestizide).  

Zusätzlich verursachen Ackerbau und Tierhaltung, bei denen Pestizide und Dünger verwendet werden, Probleme für Böden und Wasser. Rückstände von Dünger, darunter auch Gülle aus der Tierhaltung, geraten ins Grundwasser. Zum anderen gelangen sie auch in Flüsse, in Seen und ins Meer und stören dort das natürliche Gleichgewicht.

Begriffe

Lebensmittelabfälle und Lebensmittelverluste: Unterschiede?

Häufig wird das Problem der Lebensmittelabfälle als Lebensmittelverschwendung bezeichnet. Der Begriff wird jedoch unterschiedlich verwendet. Fachleute verwenden meist andere Begriffe. So unterscheidet die Welternährungsorganisation FAO zwischen Lebensmittelverlusten und Lebensmittelabfällen.

Lebensmittelverluste

Als Lebensmittelverluste bezeichnet die FAO den Anteil, der verloren geht oder verdirbt, bevor das Produkt fertig beziehungsweise im Handel ist. Dazu zählen Verluste, die während der Ernte, der Lagerung, beim Verpacken oder beim Transport entstehen. Ein Beispiel sind Erdbeeren, die zu lange in der Hitze stehen und dadurch vergären oder schimmeln.

Lebensmittelabfälle

Lebensmittelabfälle liegen laut FAO vor, wenn zum Verzehr geeignete Lebensmittel weggeworfen werden oder verderben. Zum Beispiel wenn Bananen im Handel aussortiert werden, weil ihre Schale braun ist. Aber auch eine falsche Lagerung oder ein falscher Umgang mit Mindesthaltbarkeitsdaten gelten als Ursachen. Nachteilige Einkaufs- und Kochgewohnheiten tragen ebenfalls zur Lebensmittelverschwendung bei. Zum Beispiel, wenn Menschen zu viel einkaufen oder zu große Mengen kochen, sodass Reste weggeworfen werden.

Vermeidbare Abfälle

Warum wird von "Verschwendung" gesprochen?

Von Lebensmittelverschwendung wird oft gesprochen, wenn Lebensmittelabfälle vermeidbar (gewesen) wären. Als vermeidbar gelten Abfälle, wenn die Lebensmittel zum Zeitpunkt der Entsorgung noch genießbar waren oder bei rechtzeitigem Verzehr genießbar gewesen wären. Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle sind zum Beispiel nicht essbare Bestandteile von Lebensmitteln wie Bananenschalen oder Knochen. Teilweise vermeidbar sind Lebensmittelabfälle, die aufgrund von Gewohnheiten entstehen. Ein Beispiel sind Apfelschalen. Sie sind essbar, werden von einigen aber nicht mitverzehrt.

Zahlen

Wie groß ist das Ausmaß der Verschwendung?

In den Medien und in anderen Quellen finden sich unterschiedliche Angaben zum Ausmaß der Lebensmittelverluste und -abfälle. Das liegt unter anderem an unterschiedlichen Definitionen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat 2021 neue Methoden zur Messung vorgestellt. Die aktuellen Daten zeigen: Weltweit landeten durch Verschwendung von Lebensmitteln in Haushalten, Restaurants und Geschäften rund 17 Prozent aller Lebensmittel im Müll.

In Deutschland werden seit 2019 Methoden für eine einheitliche Erfassung von Lebensmittelabfällen erarbeitet. Daraus ergibt sich, dass jährlich rund 12 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entstehen. Mehr als die Hälfte davon, rund sieben Millionen Tonnen, wären vermeidbar. Ein Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht in privaten Haushalten. Jede Person wirft etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg.

Ursachen

Wie entstehen Lebensmittelabfälle?

Aus vielen verschiedenen Gründen kann es dazu kommen, dass Lebensmittel weggeworfen werden. Das kann entlang der gesamten Herstellungskette passieren, von der Erzeugung in der Landwirtschaft bis hin zu den privaten Haushalten.

Die wichtigsten Ursachen im Überblick:

Haushalte

  • zu viel eingekauft
  • "unappetitlich" oder "zu alt"
  • zu große Portionen zubereitet
  • schlechte Lagerung
  • Wegwerfen von Lebensmitteilteilen, zum Beispiel Apfelschalen und Brotkrusten

Herstellung

  • Ausschuss, mangelnde Qualität
  • beschädigte oder verdorbene Produkte
  • Überproduktion, besonders bei verderblicher Ware
  • Nebenprodukte wie Tierkadaver und Knochen aus der Fleischerzeugung

Gastronomie

  • falsche Lagerung
  • Nachfrage überschätzt
  • zu große Portionen
  • Wegwerfen nicht ausgegebener Speisen

Groß- und Einzelhandel

  • falsche Lagerung
  • nicht einwandfreies Aussehen
  • Verpackungsmängel
  • Mindesthaltbarkeit überschritten
  • Überangebot
Konsumgewohnheiten

Welche Rolle spielen unsere Erwartungen?

Im Handel werden große Mengen von Lebensmitteln aussortiert, weil sie nicht mehr einwandfrei aussehen oder weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht wird. Die Begründung lautet häufig, dass die Kundinnen und Kunden ein makelloses Aussehen erwarten. Alles andere bleibe liegen. Kohlrabi beispielsweise müssen eine bestimmte Mindestgröße haben und sollen mit frischem Blattwerk verkauft werden – obwohl Verbraucherinnen und Verbraucher die Blätter meist bereits im Laden entfernen. Das wirkt sich auch auf die Landwirtschaft aus. Auf vielen Äckern bleibt ein Teil der Ernte liegen, weil er nur schwer verkäuflich ist.

Zum Teil existieren auch Vorschriften zur Qualität von Lebensmitteln, die zu Abfällen führen. In den Medien werden oft EU-Vorschriften zitiert. In der Regel sind es jedoch die Standards des Handels oder der Industrie, die dazu führen, dass Produkte vernichtet werden.

Initiativen der Politik

Welche Lösungsansätze gibt es?

In den vergangenen Jahren ist das Bewusstsein für das Problem der Lebensmittelabfälle gewachsen. Die Politik, private Akteure und auch Unternehmen setzen sich dafür ein, Verluste und Abfälle zu verringern.

Die Europäische Union zum Beispiel hat im Jahr 2018 die sogenannte Abfallrichtlinie aktualisiert. Alle EU-Mitgliedsstaaten sind demnach verpflichtet, Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung von Lebensmittelabfällen umzusetzen.

Anfang 2019 hat in Deutschland die Bundesregierung die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung verabschiedet. Nun werden Strategien zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen entwickelt – vom Acker bis zum Teller.

Bereits seit Längerem wirbt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit der bundesweiten Strategie Zu gut für die Tonne! für einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln. Die Strategie richtet sich an Verbraucherinnen und Verbraucher und gibt unter anderem Tipps für den Alltag.

Tipps für den Alltag

Was kann ich selbst tun?

Es gibt viele alltagstaugliche Tipps, die helfen können, die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Dazu gehören:

  • Planvoll einkaufen: Bedarf prüfen, Einkaufszettel schreiben.
  • Maßvoll einkaufen, nur überschaubare Vorräte anlegen.
  • Vorräte regelmäßig prüfen und rechtzeitig verbrauchen – ältere Ware zuerst.
  • Prüfen, ob Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) noch genießbar sind.
  • Reste kühl stellen oder einfrieren und später verzehren.
  • Nicht benötigte Lebensmittel und Reste mit anderen teilen oder verschenken, zum Beispiel über die Initiative "Foodsharing".

Selbst unvermeidbare Lebensmittelabfälle lassen sich sinnvoll verwerten. Gemüseabfälle können auf dem eigenen Komposthaufen, in einer Wurmkiste oder einem Bokashi-Eimer in wertvollen Dünger umgewandelt werden. In der Biotonne werden neben Gemüse auch viele andere Lebensmittelabfälle gesammelt, zur Erzeugung von Biogas verwendet und/oder kompostiert.

"MHD"

Was steckt hinter dem "Haltbarkeitsdatum"?

Lebensmittel mit dem Hinweis "mindestens haltbar bis" können in der Regel auch einige Zeit nach dem Datum noch gefahrlos verzehrt werden. Aber Achtung: Leicht verderbliche tierische Produkte wie Hackfleisch oder rohes Geflügel sind mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet ("verbrauchen bis …"). Nach Ablauf des Datums müssen sie umgehend entsorgt werden. Beim Verzehr ist die Gesundheit in Gefahr. Hier muss man also genau hinschauen.

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